Domagk’s Tragik

Vorbemerkung

Domagks Tragik? Das verwundert, ist doch Domagk gefeierter Nobelpreisträger und späterer Träger  des Ordens Pour le Mérite, hoch geschätzt und vielfach geehrt seit Mitte der 1930er Jahre bis ans Lebensende; ein Platz in der Reihe bedeutender Wissenschaftler ist ihm sicher. Sogar die Aura eines Oppositionellen während des Nationalsozialismus trägt er durch seine ‘Gestapohaft’ im November 1939.[1] In einigen Städten wird durch einen Straßennamen an ihn erinnert. Preise und Institute tragen seinen Namen. In der Biografie über Domagk sind für 1938 bis 1961 über 60 in- und ausländische Ehrungen verzeichnet, um allerdings seine höchste militärische Ehrung von 1944 im 2. Weltkrieg, das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuz, unerwähnt zu lassen.[2]

Er würde solches – die Tragik – sehr wahrscheinlich weit von sich gewiesen haben. Wie sollte es auch möglich sein, ihm als Entdecker der antimikrobiellen Wirksamkeit von Sulfonamiden – und deren folgenden triumphalen Siegeszug in der Medizin – eine derartige Zuschreibung zukommen zu lassen. Und zudem kommen in der Folge mit dem Conteben und dem INH bis 1952 Entdeckungen auf dem Gebiet der Tuberkuloseheilmittel aus seinem Arbeitskreis, die Domagks Ruhm weiter mehren, in einer Zeit, da Deutschland darnieder liegt: ein erfolgreiches und gelungenes Forscherleben. Und doch war in allen drei Entdeckungen ein Moment der Tragik, der den Titel dieser Arbeit rechtfertigt.

I Sulfonamide

In Domagks Lebenserinnerungen[3] werden zwei offensichtliche Linien ausgeführt, eine allgemeine und eine spezielle, die zur Entdeckung der antimikrobiellen Wirksamkeit der Sulfonamiden führen.[4]

Domagk sieht seine Forschungsarbeit bei IG Farben als einen wichtigen Baustein im Kampf Deutschlands gegen das feindliche Ausland. So heißt es:

…denn nachdem eigene Arbeiten zur Auffindung des Prontosils, des Uliron, der Zephirole usw. geführt hatten, galt es nun, intensiv auf diesem Gebiet weiterzuarbeiten, um den erreichten Vorsprung für Deutschland zu halten… Frankreich, England, Amerika begannen sich seit 1935 auf das von uns erschlossene Gebiet zu stürzen… Der Krieg von 1914-1918 wurde fortgesetzt, wenn auch mit anderen Mitteln.[5]

Domagk an der wissenschaftlichen Front. Dass sich zwischenzeitlich die politischen Verhältnisse grundlegend geändert hatten, erfährt man lediglich aus einem zitierten Dankesbrief  (8.1937) zu seiner Entdeckung, der mit Heil Hitler! endet.[6]

Zur Vorgeschichte[7] der Sulfonamide schreibt Domagk:

Sulfonamidhaltige Azofarbstoffe waren bereits früher für textilfärberische Zwecke von  H ö r l e i n   [gesperrt i.O., DS] und Mitarbeitern hergestellt worden, aber etwa 20 Jahre hatten sie geschlummert, ohne dass jemand ihren therapeutischen Wert auch nur ahnte.[8]

Dass es der Chemiker Heinrich Hörlein, Domagks Vorgesetzer, ist, der den folgenreichen Rat nach vielen vergeblichen Versuchen den für Domagk arbeitenden Chemikern gibt, eine Sulfonamidgruppe in den Azofarbstoff einzuführen, erfährt man nicht.[9] Domagks Forschung steht konträr zu dem allgemeinen therapeutischen Pessimismus, was die Erfolgsaussichten einer spezifischen antibakteriellen Therapie anbelangt[10]. Im Gegensatz zu Hörlein (1909) ist Domagk auf der Suche nach einer antibakteriellen Verbindung nach wenig befriedigenden Experimenten mit Goldpräparaten. Hierbei verfügt er über ein von ihm selbst entwickeltes Mäusemodell, mit dem er unzählige Präparate auf ihre Wirksamkeit gegen hämolytische Streptokokken testen kann. Auf diese Weise wird schließlich mit dem Prontosil der erste potente Azofarbstoff mit Sulfonamideigenschaft gefunden.

Im Streit zwischen Ehrlich und Uhlenhuth neigt Domagk der letzteren Position zu, der er in modifizierter Form noch lange zustimmt:[11]

Die enormen natürlichen Abwehrkräfte, mit denen ein Organismus ihm künstlich injizierte Keime beseitigen kann, legten den Gedanken nahe, dass es gar nicht notwendig sei, die Bakterien völlig im Köörper abzutöten, es kam nur darauf an, den Körper zweckmäßig in seinen natürlichen Abwehrbestrebungen zu unterstützen, entweder dadurch, dass man die Keime soweit schädigte, dass sie nunmehr für den Makroorganismus angreifbar oder in ihrer Entwicklung gehemmt wurden, oder aber die natürlichen Abwehrbestrebungen des erkrankten Körpers stärkte, auf keinen Fall aber schädigte.[12]

Es erstaunt, dass Domagk in seinen Lebenserinnerungen zwar Colebrook erwähnt, aber die Arbeit Tréfouëls et al. unterschlägt, die Domagks Leistung zu aller erst würdigen. Sie wird von Bickel zu den ganz großen Texten der Medizingeschichte gezählt.[13] Eher beiläufig wird sie bei Schreiber[14] angeführt, ganz im Gegensatz zu der Aufregung, die diese kurze Arbeit aus dem Pasteur-Institut wegen ihres Inhaltes im Bayer AG-Werk auslöst. Schadewaldt berichtet, dass manche Forscher der Ansicht gewesen seien, dass der französischen Forschergruppe der Nobelpreis hätte zuerkannt werden müssen.[15] Sie hatten als erste das Wirkprinzip der Sulfonamide postuliert, das Sulfanilsäureamid, entstehend aus einer reduktiven Spaltung des Prontosils.[16]  Wie schwer es Domagk gefallen sein muss, die gesamte Arbeit seiner französischen Kollegen in all ihren Aspekten zu würdigen, kann man seiner Rede anlässlich der ‘nachgeholten’ Nobelpreisverleihung 1947 erkennen:[17]

… Prompted by the German publications on Prontosil – but independently of our own as yet unpublished experiments which were conducted with a view to discovering colourless active sulphonamides outside the azo series – Tréfouël, Tréfouël, Nitti and Bovet began to study the same  problem. We are indebted to these authors for having drawn attention for the first time in literature to the fact that 4-aminobenzenesulphonamide, which Mietzsch and Klarer had used as initial material for the synthesis of their sulphonamide-containing azo compounds, was therapeutically active as such.  This substance was later used in practice as Prontosil album, Prontalbin, and Sulphanilamide.

 

Die Freude über ihre (Hörlein, Domagk, Mietzsch, Klarer) epochale Entdeckung, eine neue Wirkstoffgruppe für die spezifische Behandlung streptokokken-ausgelöster Infektionskrankheiten gefunden zu haben, eine Entdeckung, die gleichzeitig Höhepunkt (Prontosil) wie auch Ende (Sulfanilsäureamid) von Ehrlichs Farbstofftheorie der Chemotherapie ist.[18] Sie wird getrübt durch die Veröffentlichung der Ergebnisse aus dem Pasteur-Institut, die noch im gleichen Jahr 1935 publiziert wird. Folge davon ist, dass die Patentierung des Prontosils wertlos ist, da es das Sulfanilsäureamid ist, die für die typische  Sulfonamidwirkung verantwortlich ist. Einen Patentschutz hierfür zu erreichen, erweist sich als aussichtslos, da diese Verbindung bereits 1912 hergestellt worden ist. Somit stürzen sich viele pharmazeutische Firmen auf das neue Gebiet der Sulfonamide, um an ihrem Boom zu verdienen.

Im Juli 1937, so Domagks Lebenserinnerungen[19], erhalten er und die beiden Chemiker Klarer und Mietzsch als erste Anerkennung für die neuen Erfindungen die Emil Fischer-Denkmünze. Seine Dankesrede schließt mit dem Satz:

… Um so dankbarer empfinden wir aber die Anerkennung derer, die mit uns den Kampf auch um die geistige Anerkennung unseres geliebten Vaterlandes kämpfen.

Spätestens[20] mit der Verleihung des Nobelpreises an Domagk alleine im Oktober 1939 ist von Neid, Sticheleien, vom Gekläff der Kleinen und Bürokraten, ja von Vorwürfen der Direktion zu lesen, dass andere Firmen wirkungsvollere Medikamente auf dem Gebiet der Sulfonamide gefunden hätten. Die beiden Chemiker, die das Prontosil synthetisiert hatten, fühlen sich mit ihrem Beitrag nicht angemessen gewürdigt.[21] Nur mühsam, mit Hilfe der Direktion, findet man 1943 einen Modus vivendi.[22] Doch auch die Verleihung des Ehrendoktors der Medizin, die Domagk Ende 1944 in der Fakultät in Münster anregt, vermag diesen Stachel nicht zu ziehen:

…und hoffe, ihnen damit eine Freude zu machen als Dank für ihre besondere Leistung. Ursprünglich: … zu machen und die Arbeitsfreudigkeit auch zu erhöhen.[23]

Paul György, Kinderarzt und Vitaminforscher bei Richard Kuhn, 1933 emigriert, stellt 1947 in einem Affidavit für Heinrich Hörlein, Domagks Vorgesetzten fest, so Lesch,

… that Heinrich Hörlein should have received the Nobel Prize for the sulfa drugs rather than Domagk, because these medicines were the product of an organized, collaborative effort,  of which Hörlein had been the architect, and Domagk himself had been one part.[24]

Domagks Enttäuschung und Ernüchterung nach der Nobelpreisverleihung über die Industrieforschung kulminiert in den Worten: … Das ist keine freie Wissenschaft![25] Er meint damit die Zwänge eines Industrieforschers, der mehr für das Unternehmen forscht und eher die Verdienstmöglichkeiten im Auge haben muss, die sein Tun auslösen. Vielleicht hat er auch an die Pasteurforscher gedacht, die freier als er sind von Verwertungszwängen und sich ganz der Wissenschaft hingeben können. Jedenfalls hatten ihn andere Überlegungen beflügelt, als er 1927 das Bayer AG-Angebot annahm, ein Forschungslaboratorium für experimentelle Pathologie aufzubauen.[26]

Die Nobelpreisverleihung markiert in Domagks Leben das Nebeneinander von Hochgefühlen und Zuständen tiefer Verunsicherung. Im Vorfeld setzt sich Folke Henschen, ein ihm seit Jahren bekannter Kollege im Nobelkomitee, für ihn ein, indem er an Göring vergeblich schreibt, um eine Ausnahmeregelung zu erreichen.[27] An Henschen schickt Domagk einen Dankesbrief am 29.10.1939,[28] nicht unähnlich, wie später Adolf Butenandt und Richard Kuhn nach ihrer Nobelpreis-Ehrung sich bei Hans von Euler-Chelpin bedanken. Die für Domagk völlig überraschende Verhaftung mehr als 3 Wochen nach der Bekanntgabe der Nobelpreis-Verleihung und die sich anschließende ‘Gestapohaft’ führen, wie er schreibt, zum Zusammenbruch meiner bisher auf Idealen eingestellten Lebensauffassung.[29] Ist er bis dahin als glühender Deutsch-Nationaler und Bewunderer Hitlers Aggressionspolitik in weitgehender Übereinstimmung mit dem nationalsozialistischen Staat und trägt subjektiv zum Kampf Deutschlands um Weltgeltung bei – so zumindest seine Lebenserinnerungen –, so dramatisch muss das Geschehen um die Verhaftung gewesen sein, als Feind des deutschen Staates zu gelten, der so gefährlich ist, dass eine sofortige nächtliche Verhaftung am 17.11.1939 erforderlich ist. Er beklagt die offenbare Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren sei und für die er Genugtuung fordere.[30] Und, er fühlt sich im Stich gelassen: … So gut wie nichts geschah von Seiten des Werkes…[31] Psychosomatische Beschwerden werden von ihm auf dieses Ereignis zurückgeführt. In seinen Lebenserinnerungen pflegt er nach dieser scheußliche(n) Angelegenheit ab Januar 1940 die Gratifikationen zu genießen, die seine – weiterhin – loyale Stellung zum Nationalsozialismus mit sich bringt. So nimmt er am 10.1.1940 – keine 4 Wochen nach seiner Verhaftung – an der Sitzung der Berliner Medizinischen Gesellschaft teil. Auch hier vermag er nicht die französischen Kollegen entsprechend zu würdigen: Bei anderen [welche das sind, bleibt ungesagt, DS] Sulfonamiden entstehen die Wirkstoffe hingegen erst im Organismus[fett i. O., DS], stellt er in seinem Vortrag fest.[32] Was hier so lapidar klingt, ist das erste Beispiel einer Bioaktivierung, beschrieben von den Forschern des Pasteur-Institutes[33]. 

II  Thiosemikarbazone, insbes. Conteben

 Mit der Entdeckung der tuberkulostatischen Wirksamkeit einer später Conteben genannten Verbindung, einem Thiosemikarbazon, die im April 1943 von Hans Schmidt synthetisiert wird, gelingt Domagk der lange ersehnte Durchbruch in seiner Tuberkuloseforschung. Bereits ab Ende 1941 waren aus der Gruppe der Thiosemikarbazone mannigfache Verbindungen hergestellt worden, die jedoch zu toxisch, zu wenig wirksam oder chemisch zu aufwendig herzustellen waren.[34] Nicht nur in-vitro- und in-vivo-Versuche, sondern auch klinische Testungen sind mit einigen  Thiosemikarbazonen schon während des Krieges erfolgt, deren Ergebnisse zT nicht bekannt sind.[35] Das spätere Conteben, damals noch P 698 (Sdt 1041) genannt, ist neben anderen Thiosemikarbazonen bereits 1943/44 zum Patent angemeldet worden, wie in der Veröffentlichung 1946 angeführt wird.[36]  Ob dieser Patentanmeldung während des Krieges eine ausländische folgt, ist unklar, wäre jedoch nach der Beschlagnahme aller deutschen Auslandspatente wertlos. Die genaue Strukturformel des späteren Contebens wird erstmalig im November 1947 veröffentlicht;[37] als Präparat kommt es in Deutschland in den Handel 1949, in USA ist es ebenfalls 1949 verfügbar (Schenley Lab., Inc. als Tibione [P 698=Tb 1=Tibi one=Conteben], E. R. Squibb and Sons als Myrizone).[38] Über die Entstehungsgeschichte der Thiosemikarbazongruppe wird in der damaligen  Zeit  weitgehend geschwiegen.[39] Selbst in seinem Vortrag 1952 auf der Wiesbadener Tagung der DGIM erwähnt Domagk nicht das genaue Datum der Entdeckung des ersten Thiosemikarbazons, den November 1941, sondern das Jahr 1943, Entdeckung der wiederum besseren Tb-Wirkung der Thiosemikarbazone[40] Jeder Hinweis, der zu den  klinischen Untersuchungen der frühen Thiosemikarbazone 1942-1944 führen könnte, wird vermieden. Auch in späteren Zeiten will man nicht damit und /oder dem klinischen Leiter dieser Untersuchungen, einem Naziaktivisten, in Verbindung gebracht werden.[41] Genauso wenig erfährt man in Domagks  Lebenserinnerungen oder anderen Veröffentlichungen bis 2000[42] etwas über die klinischen Untersuchungen an Kindern 1947/48 mit Conteben (damals TBI genannt) unter der Leitung von Werner Catel, die Domagk erschüttert haben müssen: Mehrere Tote waren bei diesen klinischen Tests, mit Sicherheit auf Grund von Nebenwirkungen von Tb 1, zu beklagen.[43]

Die 1943 zum Patent angemeldeten Thiosemikarbazone, darunter  auch das spätere Conteben, sind laut Bayer AG (1972) sowohl in-vitro- wie in-vivo-getestet.[44] In ihrer Erstveröffentlichung 1946 (1947) heben die Autoren die in-vitro Wirksamkeit hervor,  hingegen erwähnen sie nirgends im Text eine in-vivo Testung der neuen Substanzen. Vor einer klinischen Anwendung wird gewarnt. Es handele sich vorwiegend [?, DS]  um in-vitro Effekte und sie sprechen sich am ehesten für eine lokale Anwendung aus.. Sie schließen ihren Artikel:

… Bei gewissen Formen der Tuberkulose dürfte bei genügend langer oraler Darreichung gut verträglicher Substanzen eine Beeinflussung des tuberkulösen Prozesses jedoch durchaus im Bereich des Möglichen liegen.

Sind hier die Erkenntnisse aus der langen klinischen Beobachtung der Jahre 1942-1944 mit Marfanil-gelb[45] ungewollt eingeflossen? Domagk et al. erwähnen klinische orale und lokale Versuche, wie sie zu den klinischen Untersuchungen im Albert-Jesionek-Krankenhaus, unweit von Gießen, passen.[46] Hauptsächlich handelt es sich hier um Patienten mit Haut- oder Drüsentuberkulose. Aus dem in jenem Artikel Gesagten muss man folgern, diese klinischen Untersuchungen sind – wohlwollend gesprochen – voreilig und nicht verantwortbar. Oder dies ist ein Versuch, frühere klinische Tests zu vertuschen. Oder ist dies ein Versuch, P 698 (das spätere Conteben) mit aktuellen in-vivo Versuchen 1946/47 zu einer ausländischen Patentierung zu  verhelfen? Diese Fragen lassen sich kaum beantworten, da Domagk sich hier wie ein abhängiger Industrieforscher verhält, der Industrieinteressen vertritt. In seinen Lebenserinnerungen jedenfalls kommt er darauf nicht zurück.[47]

Die starken Nebenwirkungen des Conteben und seine Einstufung durch die US Veterans Administration sorgen dafür, dass Conteben weitgehend auf Europa beschränkt  bleibt. In USA ist Streptomycin, das in Europa nur schwer erhältlich ist, das Mittel der Wahl trotz seiner Resistenzentwicklung, die durch Kombination mit PAS einzuschränken versucht wird. Conteben wird als drittklassisches Medikament[48] eingestuft, das so nicht als Kombinationspräparat infrage kommt. Zu toxisch, aber doch den Weg weisend: die Thiosemikarbazone, schreibt Sabine Päuser[49]. Die deutsche Nachkriegsgeschichte spielt in der Rezeption des Contebens in der Wissenschaft und in den Medien eine große Rolle: nach der demütigenden Niederlage im 2. Weltkrieg und der Besatzung durch die alten Kriegsgegner, die alle Auslandspatente beschlagnahmt hatten, ist das deutsche Präparat Tb 1 als erstes synthetisches Tuberkulostatikum emotional hoch besetzt. Deshalb besteht leicht die Gefahr, die Nebenwirkungen und seine Toxizität zu unterschätzen; vor allem, da man amerikanischen Forschern unterstellt, ihr Produkt Streptomycin überzubewerten und Conteben zu missachten. Zugleich unterstellt man – wiederum den Amerikanern – ihre Forschungsergebnisse durch geistigen Diebstahl zu erzielen und einen Forschungsrückstand  auf diesem Gebiet der Tuberkulostatika aufzuholen. Die Argumentation von Bayer AG hinsichtlich des Conteben ist nicht einfach, da es als Nachkriegsprodukt bezeichnet wird, mit durchgeführten klinischen Untersuchungen 1946/47, jedoch  haben bereits in Kriegszeiten klinische Versuche auch mit P 698, dem späteren Tb 1 und Conteben, stattgefunden, die offiziell nicht zur Entwicklungsgeschichte gehören. All dies macht die Entstehungsgeschichte  des Contebens anfällig für Legendenbildung.

… Daß Domagk dennoch uneingeschränkt [trotz der beobachteten Nebenwirkungen, DS] die seiner Auffassung nach hervorragenden tuberkulostatischen Wirkungen  des Bayer AG-Produktes herausstellte, charakterisiert seinen immensen Ehrgeiz, sein Vertrauen in die von ihm angewandten Forschungsmethoden und seine Zugehörigkeit zum Unternehmen Bayer AG. Die wissenschaftliche Grundlage seiner Argumente war längst im In- und Ausland durch sorgfältige Prüfungen anderer Wissenschaftler stark erschüttert worden…

fasst Redeker zusammen. Oder an anderer Stelle schreibt er:[50]

… Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen Domagks Anfang der fünfziger Jahre zum Thema Conteben trugen stark affirmative Züge… 

In Domagks Lebenserinnerungen findet das Conteben im ersten Band, in dem die Thiosemikarbazone erwähnt sind, keinen Platz. Erst anlässlich seiner Reise nach Irland im Juli 1951, im zweiten Band, erfährt man vom Conteben, nämlich dass die Engländer statt des Contebens unserem „Tb III“, einem Sulfonderivat des Benzaldehydthiosemikarbazons, den Vorzug geben.[51] Überhaupt schimmert in Domagks Beschreibung seiner Reise zu dem Kolloquium[52] in Dublin seine Hochgestimmtheit durch, die durch die zum damaligen Zeitpunkt bereits ihm bekannte sehr viel bessere antituberkulotische  Wirkung eines Präparates bedingt sein könnte, des späteren Neotebens, das in in-vivo Versuchen hervorragende Ergebnisse erzielt. Auch seine Antwort an den jungen Mann, der ihn mit seinen Fragen nervt, fertigt er mit den Worten ab: Lieber junger Kollege, wenn Sie den ersten Nobelpreis bekommen haben, wird man Ihnen voraussichtlich auch größere Mittel stellen.[53] Ein Hinweis, dass er sich würdig fühle, einen zweiten Nobelpreis verliehen zu bekommen? Überhaupt ist wohl sein Bericht über die Irlandreise bald danach in einem Guss geschrieben und in den 1960er Jahren ohne Redigierung übernommen worden. Sonst hätte sein Vergleich bundesrepublikanischer Verhältnisse mit denen des ‘Dritten Reichs’ nicht überlebt (so wie seine antisemitischen Äußerungen die Korrektur nicht überstanden haben)[54]: … Es ist beinahe dieselbe Taktik heute [Mitte Juli 1951, DS] wie zurzeit des „großen Führers“ (s. „Welt“ vom 17.5.1951) – eine ungewollte Erinnerung an den genialen Führer?[55] 

III  Isonikotinsäurehydrazid (INH)

„Die unterzeichnenden Firmen stellen nach gegenseitiger Einsichtnahme in die  einschlägigen Akten fest, dass sie im Rahmen einer voneinander völlig unabhängigen Forschung auf dem Gebiet Tuberkulose das Hydrazid der Isonikotinsäure  als Mittel zur Bekämpfung der Tuberkulose erkannt haben. Das Isonikotinsäurehydrazid wurde von beiden Firmen unabhängig voneinander im Jahre 1951 in die klinische Erprobung eingewiesen.“

  1. Hoffmann-La Roche & Co, Aktiengesellschaft, Basel, den 8. August 1952 Farbenfabriken Bayer AG, Leverkusen, den 8. August 1952[56] 

Diese Vereinbarung schließen Bayer AG und Hoffmann-La Roche, das zugleich die Interessen der Firma Squibb vertritt, untereinander ab. Was führt dazu? Alle drei Firmen stellen auf unabhängigen chemischen Wegen und zeitgleich das ungleich wirksamere zu allen bisher gängigen Tuberkuloseheilmitteln (Streptomycin, PAS, Conteben)  Isonikotinsäurehydrazid her, das bei Bayer AG Neoteben, bei Hoffmann-La Roche Rimifon und bei Squibb Nydrazid im Handel heißt[57]. Was die Einigung wohl erleichtert, ist die Tatsache, dass Isonikotinsäurehydrazid seit 1912 bekannt und somit nicht patentierbar ist.[58] Obwohl es diese Vereinbarung gibt, wird dennoch immer wieder behauptet, die eine oder die andere Seite habe zuerst das Isonikotinsäurehydrazid als Antituberkulotikum in-vivo getestet oder klinische Versuche mit diesem Präparat unternommen.[59]

Domagks et al. erste Publikation zu INH erfolgt ganz offensichtlich durch die forcierte Bekanntmachung der ersten klinischen Ergebnisse durch die amerikanischen Mediziner, die das Hoffmann-La Roche-Präparat Rimifon (=INH) klinisch testen. Die Bayer AG-Forscher geben die chemische Struktur des INH bekannt und zeichnen den Weg seiner Synthese nach, eine Weiterentwicklung des Contebens[60].  Wie genau der entscheidende Pyridinring in die Strukturformel des INH gelangt, erschließt sich chemisch nicht, aber sie lassen erkennen, warum sie den Pyridinring eingeführt haben:

…Unter diesen war die Prüfung des Hydrazids der Nikotinsäure [sie ist eine Pyridincarbonsäure, DS] und der davon abgeleiteten Hydrazone wegen der bekannten Beeinflussung tuberkulöser Prozesse durch Nikotinsäureamid…

Der französische Forscher Vital Chorine beschreibt 1945, dass Nikotinsäureamid imstande ist, die Entwicklung von Meerschweinchentuberkulose zu hemmen.[61] (Domagk muss diese Veröffentlichung gekannt haben, auch wenn er sie nicht bzw. nie (?) zitiert, denn sie löst eine Welle von Publikationen aus,[62] von Untersuchungen antituberkulöser Aktivität von Verbindungen mit einem Pyridinring. In der Folgezeit werden Chorines Ergebnisse mit Nikotinsäureamid uneinheitlich bewertet.) Insofern ist es konsequent, auch die Derivate der Pyridincarbonsäuren in die Prüfung antituberkulöser Aktivität miteinzubeziehen. Keine zwei Monate später hält Domagk einen Vortrag auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, deren Ehrenmitglied er seit 1951 ist. Hier jedoch sagt er dazu:

…Wir standen auf einer neuen Stufe der Chemotherapie der Tuberkulose [nach der Entdeckung der antituberkulösen Eigenschaft des INH, DS], und dementsprechend haben wir weitergearbeitet. Nachträglich ist behauptet worden und zwar an mehreren Stellen gleichzeitig, man wäre auch von der Nikotinsäure her auf diese Verbindungen gestoßen [INH und seine Hydrazone, DS]. Wir jedenfalls nicht. Ich werde Ihnen zeigen, warum dies ganz unwahrscheinlich ist…[63]

Was war in der Zwischenzeit geschehen? Es war das ganze Ausmaß an Erschütterung für die Bayer AG-Forscher gewahr geworden: In Fußnote 1 und dem Nachtrag in der Publikation vom 29.2.1952 hatte sich diese bereits angedeutet.[64]

…¹)  “Neoteben“, eingetragenes Warenzeichen der Farbenfabriken Bayer AG, Leverkusen. Die Konstitution des Neotebens wurde von Dr. A. Mertens (Farbenfabriken Bayer AG) am 28.2.52 über den Nordwestdeutschen Rundfunk um 18.45 Uhr bekanntgegeben.          

 Nach Fertigstellung des Manuskriptes erreichte uns aus der „Times“ London, v. 23.2.1952 die Nachricht, daß unabhängig von uns Hoffmann-La Roche Inc. und I.R. Squibb u. Sons unter dem Namen „Rimifon“ bzw.“Nydrazid“ das Isonicotinsäurehydrazid und seine Derivate als Tuberculostatica prüfen.

In der Zwischenzeit – von Ende Februar bis Ende April – hatte sich Bayer AG vermutlich eine Strategie zurechtgelegt, wie mit den amerikanischen Forschungen umzugehen sei. Indem man anfangs noch von der Beeinflussung tuberkulöser Prozesse durch Nicotinsäureamid spricht, verneint Domagk diese für sich ausdrücklich und hält sie für die anderen Forschungswege für ganz unwahrscheinlich.[65] Selbst zwischenzeitliche, damals neuere Ergebnisse mit Nikotinsäureamid hätten rückwirkend keinen Einfluss auf den von Offe et al. geschilderten Syntheseweg.[66] Indem Domagk so argumentiert, versucht er alle anderen Forscher, die sich auf Nikotinsäureamid als tuberkulostatische Verbindung bei ihren Überlegungen berufen, zu desavouieren, sie letztlich als Täuscher anzugreifen, die etwas vorgeben, das wissenschaftlich falsch sei; er sagt im Grunde genommen, sein Weg zum INH sei der bisher einzige.[67] Jetzt kommt Domagk ein Gerücht zu Hilfe, das immer mehr zur Gewissheit wird. Die 1945 nach der Beschlagnahme angeblich nicht zurückgegebenen Akten, die die Weiterentwicklung des Contebens betreffen, hätten dazu geführt, dass die amerikanischen Firmen Hoffmann-La Roche und Squibb sich daraus fremder Forschungsergebnisse hätten bedienen können und es so zu der Koinzidenz gekommen sei.[68]

Domagk schildert in seinen Lebenserinnerungen die damalige Zeit:

…Als im Oktober/November 1945 [da kehrt er nach ½jährlicher Festsetzung durch die Amerikaner nach Elberfeld zurück, DS] die Wiederaufnahme der Arbeit in unsere Laboratorien von der englischen Besatzungsmacht gestattet wurde, waren große Lücken im Personal vorhanden… Der englische Kontrolloffizier im Werk von der englischen Konkurrenzfirma May and Baker versuchte – wie es schien –, uns so gut wie möglich zu unterstützen… 1945/46 kamen Kommissionen aus aller Herren Länder, verlangten Einsicht und Abschriften von Betriebsvorschriften, Versuchsprotokollen und fotografierten und fotokopierten alles Erreichbare. Als die Bezeichnung „Werk I. G. Farbenindustrie A. G. Wuppertal-Elberfeld“ abgeschafft werden musste, wurde vorgeschlagen „Farbenfabriken Bayer AG, Auskunftstelle [sic, DS] für durchreisende Chemiker“..[69]

Der Mediziner Heilmeyer dagegen, der Conteben für Bayer AG und Rimifon (INH) für Hoffmann-La Roche Basel in der Freiburger Klinik erprobt, schreibt in seinen Erinnerungen:

… Domagk war [1956, DS] verärgert darüber, daß dieser von ihm entdeckte, so hochwirksame Stoff gleichzeitig auch in Amerika gefunden war. Er war der Meinung, und sprach das sogar öffentlich aus, daß hier eine Art geistigen Diebstahls der Amerikaner vorliege. Ich stand in der Diskussion auf und legte dar, daß diese Entdeckung doch in der Luft gelegen habe. Die große primäre Tat sei die Entdeckung der Thiosemicarbazone gewesen. Nachdem diese bekannt waren, war es kein weiter Schritt, sie mit Nicotinsäure zu verbinden. … Bei den zu dieser Synthese notwendigen chemischen Prozessen trat das INH als Zwischenprodukt auf. In jeder chemotherapeutisch forschenden Firma werden alle chemischen Stoffe, die bei den Arbeiten anfallen, systematisch auf ihre Wirksamkeit geprüft. Es erschien mir deshalb nicht überraschend, daß auf diese Weise das INH als wirksames Tuberkulostatikum gleichzeitig in verschiedenen Laboratorien der Alten und neuen Welt gefunden worden war…[70]

 Auch hier, ähnlich wie bei Redeker,[71] heißt es 1959 bei Heilmeyer, chemisch unzutreffend, da das INH auf verschiedenen Wegen hergestellt wird:

Wie sehr die durch Domagk [i. O. kursiv, DS] aufgefundenen Thiosemikarbazone  die gedankliche Grundlage zur Entdeckung des Isonikotinsäurehydrazids bildeten, ging daraus hervor, daß alle drei Stellen, an denen das INH entdeckt wurde, mit dieser Stoffklasse arbeiteten  und die Thiosemikarbazide als Ausgangspunkt ihrer Versuche wählten.  Nur so ist es zu verstehen, daß der entscheidende Stoff fast gleichzeitig in Deutschland im Laboratorium von Domagk [kursiv i.O., DS] 1950, und in den Roche-Laboratorien in Nutley durch Fox 1951 und in den Laboratorien der Firma Squibb in New Jersey durch Bernstein, Lott, Steinberg und Yale 1952 unabhängig voneinander gefunden wurde.[72]

Nach Grundmann ist Domagk zeitlebens davon überzeugt, daß er als erster die Wirkung  des Isonikotinsäurehydrazids entdeckt und in Amerika bekannt gemacht hatte.[73]

Eine Argumentation, die Chorines Ergebnisse ignorieren und für falsch erklären muss, bleibt immun gegen Argumente. Tatsächlich wird Chorine weitgehend nur in Europa rezipiert. Erst als in USA 1948 seine Untersuchungen bestätigt werden, ohne sie zu kennen,[74] sind alle Voraussetzungen für einen anderen Syntheseweg in USA gegeben: Domagks Publikationen über Thiosemikarbazone 1946/47 und  McKenzies et al. Ergebnisse mit Nikotinsäureamid 1948.

Domagk hätte es wissen können. Er wiegt sich noch Anfang Februar 1952 in ‘Sicherheit’, als sein Vortrag auf der Wissenschaftlichen Ärztetagung in Nürnberg von Oktober 1951 publiziert wird. Seine Reise[75] in die USA im September findet darin nur Erwähnung, dass man zwischenzeitlich dort den Wert der Thiosemikarbazone eingesehen habe. INH erwähnt er nicht, obwohl zu diesem Zeitpunkt die ersten klinischen Beobachtungen mit dieser Substanz laufen.[76] In seinen Ausführungen findet sich das INH unter die wirksamsten Thiosemikarbazone und Hydrazone versteckt, deren deutlich kleinere Hemmungswerte im Vergleich zu den bisherigen Tuberkulose-Heilmitteln er herausstreicht.[77]  Es ist eigentlich unerklärlich, wieso er den Beobachtungen, die er auf seiner Reise in die USA macht, nicht mehr Beachtung schenkt, nicht realisiert, wie nahe sich die Forschungen von Bayer AG und Hoffmann-La Roche gekommen sind. Domagk kommentiert die Vorträge:

In den Vorträgen hatte ich keine Formeln gesehen, die mir nicht schon bekannt gewesen wären und über die ich nicht schon ein Urteil besaß…[78]

In Europa seit 1945 (Chorine) und seit 1948 in USA (McKenzie et al.) zusammen mit  Domagks Untersuchungen (1946/47), die der Chemiker Herbert Fox immer wieder hervorhebt. ist man auf der Suche nach Pyridinderivaten mit tuberkulostatischer Wirksamkeit, besonders nach dem  Nikotinaldehydthiosemikarbazon und seinen Isomeren. Im Gegensatz zu den Forschungen bei Bayer AG hofft man bei Hoffmann-La Roche (und Squibb und den französischen Forschern um Levaditi) durch die Synthese dieses Thiosemikarbazons – mittels McKenzies Beobachtungen zu Nikotinsäureamid und mittels Domagks Forschungen zu den Thiosemikarbazonen – antituberkulöse  Eigenschaften in dieser Verbindung zu bündeln.[79][80]

Eine Vorstufe auf dem Weg zu dem γ-Isomeren  dieser Verbindung stellt Fox (Hoffmann-La Roche) im August 1949 her, das Isonikotinsäurehydrazid (INH).[81] Domagk – Butenandt ist auch auf dem Kongress – hört Fox gegen Mittag  des 11. September dessen 3. Vortrag über Isonicotinaldehyde Thiomicarbazone and Some Related Compounds sprechen. In seinem Vortrag erscheint mit der Stukturformel das INH als Zwischenprodukt für Domagk sichtbar, was ihn elektrisiert haben dürfte, wovon jedoch seine Lebenserinnerungen schweigen.[82] So offen die Strukturformel des INH zu zeigen, irritiert Domagk offenbar nicht, hatte er bisher nur von Hydrazonen und Hydraziden und zwar bis Februar 1952 gesprochen, unter die auch das INH fällt.  Päuser äußert die plausible Vermutung für die ‘Offenherzigkeit’ von Fox: Das bereits seit 1912 synthetisierte INH sei als nicht-patentierbare Verbindung  Fox bekannt und somit nicht schützenswert.[83] Da das INH nicht – wie das Thiosemikarbazon – im Fokus der Forschung bei Hoffmann-La Roche steht, wird es erst später auf seine antituberkulöse, in-vivo Aktivität geprüft und kommt als letztes Präparat nach dem INH-Derivat Marsilid[84] und dem INH-glucosylderivat in die klinische Prüfung.[85]

Walsh Dermott schildert in seinen Erinnerungen zur Geschichte des INH ein Ereignis vom September 1951.  Er schildert den Besuch Domagks während seiner USA-Reise:

… we had a considerable discussion of antituberculous therapy in general and thiosemicarbazones in particular. Neither of us mentioned the exciting promise of isoniazid, which each of us thought he alone knew. I feel certain that each of us walked away from our warm friendly parting with the thought, „Isn’t he (i. O. kursiv, DS) in for a surprise.“[86]

Er nennt das: blissful ignorance. Einige Abschnitte später zitiert McDermott den französisch-amerikanischen Mediziner René Dubos:

„Because every discovery, even that which appears at first sight the most original and intuitiv, can always be shown to have roots deep in the past…

Colebrook[87] schreibt in seinen Erinnerungen an Domagk 1964, das bisher Gesagte bestätigend:

I am indebted to Dr P. D’Arcy Hart[88] for the above and for the following comment: ‘These [Thiosemikarbazone, DS] occupied the attention of Domagk for several years, offering promise of effectiveness in human tuberculosis; but their subsequent career has been a chequered one. ‘On the basis of early inadequate clinical trials in Germany, enthusiastic claims were made, only to die away after an American team reported in 1950 that the hepatic toxicity precluded their general use. Moreover this series was overshadowed by the discovery simultaneously in Switzerland and the U.S.A. (and possibly in other countries) of the present major antituberculosis drug isonicotinic acid hydrazide (isoniazid), the development of which was connected partly with Chorine’s (1945) discovery in France that nicotinamide (a pyridine derivative) had some antituberculous activity, and partly (as a chemical stepping- with the thiosemicarbazones, and therefore with Domagk’s work’ …

Dr Hart also adds a footnote to the above ‘I believe that the steps were: (1) Nicotinamide was active but not nicotinic acid, and therefore the activity was not a vitamin effect; (2) Attention was thus focused on pyridine derivatives; (3) Replacement of the substituted benzene ring of p-acetamido-benzaldehyde thiosemicarbzone by a pyridine ring, resulting in the pyridineanalogues, nicotinaldehyde thiosemicarbazone and isonicotin aldehyde thiosemicarbazone. To make the latter compound a process involving pyridine carboxylic acid derivatives was used, and one intermediate was isonicotinic acid hydrazide, i.e. isoniazid. In this sense the thiosemicarbazones were chemical stepping-stones, but the final step as made by the U.S. and Swiss chemists, although for all I know the Germans and Russians may have got part or all the way.’[89

IV   Tragik trotz Erfolgen

Eigentlich eine Erfolgsgeschichte – über das Sulfathiadiazol[90] zu dem Conteben und den Thiosemikarbazonen und von da zum INH. Schon die Entdeckung der antimikrobiellen Wirksamkeit der Sulfonamide besitzt durch die nachfolgende Publikation der Pasteur-Forscher um Tréfouel einen ernüchternden Beigeschmack im gleichen Jahr, der die Freude über die Entdeckung erheblich dämmt. Denn die französischen Forscher machen mit ihrer Arbeit deutlich, dass Domagk in erster Linie ein Industrieforscher ist und zeitlebens sich schwer damit tut, sie zu rezipieren oder zu zitieren. Für Bayer AG ist es natürlich ein Desaster, dass nach der erfolgreichen Entdeckung alle Welt diese sich zu eigen machen und jede Firma ihr eigenes Sulfonamidpräparat auf den Markt bringen kann; man hatte sich nach der gründlichen klinischen Testung des Prontosils anderes erhofft.[91] Alle darauf folgenden Ehrungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass er Zielscheibe von Neid und Missgunst wird, worauf Domagk wenig vorbereitet ist und von Bayer AG sich kaum in Schutz genommen fühlt. Besonders nach der Nobelpreisverleihung 1939 an ihn allein wird dieses Gefühl sehr präsent. Die zwei ihm zuarbeitenden Chemiker sind durch diese gefühlte Nichtbeachtung gekränkt und ziehen sich für lange Zeit zurück. Domagk gelingt es auch kaum, die Chemiker aus ihrer Reserve zu locken. Er erlebt die Direktion in diesem die ganzen 1940er Jahre andauernden Konflikt, der durch eine Publikation Domagks zum 10jährigen Jubiläum der Sulfonamide zusätzliche Sprengkraft erhält, nicht auf seiner Seite. Seine später korrigierte, ursprüngliche, aber noch gut lesbare Lebenserinnerung anlässlich der Verleihung der medizinischen Ehrendoktorwürde an die beiden Chemiker am 30.1.1945, von Domagk veranlasst, zeugt von gewissen Ressentiments, die ihn wohl nicht immer haben glücklich handeln lassen in seiner Beziehung zu ihnen, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen. Doch überschattet in dieser Zeit seine 3-4 tägige ‘Gestapohaft’, drei Wochen nach seiner Nobelpreisverleihung, alles Andere. Dass ausgerechnet ihm, der die Nationale Revolution Deutschlands in seinen Lebenserinnerungen mit keinem kritischen Wort begleitet, sondern übergeht, der jedoch die aggressiven Handlungen zur Wiederherstellung von Deutschlands Größe emphatisch begrüßt, der subjektiv durch seine Forschung Deutschlands Weltgeltung befördern will, dass ausgerechnet ihm illoyales Verhalten vorgeworfen wird, das als Begründung für seine nächtliche Verhaftung herhalten muss, dürfte ihn bis auf’s Mark erschüttert haben. Welch ungeheurer Vorwurf, muss er sich gedacht haben, wo er doch nur den Erfolg deutscher Forschung im Auge habe. Und sein Warten auf eine ministerielle Anweisung, wie er sich verhalten solle, der Dankesbrief, als diese ausbleibt, an das Nobelkomitee vom 3.11.1939 und der Brief an Hitler schließlich vom 9.11. hätten genügend seine loyale Haltung bewiesen. Jedenfalls hat dieser Schock nicht dazu geführt, eine erkennbar kritische Haltung nach seinen eigenen Erfahrungen gegenüber dem NS-Regime einzunehmen. Im Gegenteil, er ist in den Lebenserinnerungen sichtbar eingenommen von den Privilegien,[92] die er als weiterhin  loyaler Angehöriger der ärztlichen Elite genießt. Es bleibt zurück ein – verständliches – Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, so gerne hätte er die Nobel Lecture in Stockholm gehalten.[93] Stimmen von Kollegen, die er zitiert, bestätigen ihn darin. Man gewinnt den Eindruck, das Ereignis habe ihn noch loyaler gemacht; dass er die Willkür angeprangert hätte, davon ist keine Spur zu sehen. Mit den zukünftigen Ehrungen, die ihn vollends einbinden, begibt er sich eindeutig dahin, dass ihm in Zukunft keine illoyale Handlung vorgeworfen werden kann. Und doch, so lässt sich vermuten, hat dieses Ereignis der Verhaftung einen inneren Zweifel hervorgerufen, ob die Nobelpreisverleihung tatsächlich gerechtfertigt ist: Es fällt auf, wie gerne und ausgiebig er sich in den Lebenserinnerungen mit Nobelpreisträgern umgibt, so als müsste deren Anwesenheit seine Bedenken zerstreuen und er erst durch ihre Anwesenheit erst seine eigene Nobelpreiswürdigkeit bestätigt finde. Zusätzlichen Zweifel erzeugt die Ansicht mancher Kollegen, nicht er, zumindest nicht er allein hätte den Nobelpreis verdient. Insofern und das ist das Tragische, überschatten die Verhaftung und die mit ihr verbundenen Affekte sowohl die Zeit vor-, wie nach der Nobelpreisverleihung, die nicht angenommen werden darf. Statt sich vorbehaltlos darüber freuen zu können, bleibt sie mit einem Schock und widersprüchlichen Gefühlen behaftet, die noch weit in der Zukunft wirken. Domagk hat sich, auch das ist Teil der Tragik, nach dem Krieg in eine Rolle begeben, die durch den Wunsch in der aufkommenden BRD nach einem Helden im „3. Reich“  befeuert wird, die Rolle eines Wissenschaftlers mit dem Nimbus eines Oppositionellen – eine Rolle, die er nicht gesucht hat, der er aber Vorschub geleistet hat. Durch diese Art der ‘Unantastbarkeit’ bleibt seine eigene Verwobenheit im nationalsozialistischen Staat unbekannt, die er zeitlebens keiner kritischen Reflexion unterzieht.[94] Er lebt in dem Glauben bis zum Ende, er habe nur der wissenschaftlichen Forschung gedient und sei nur dem ärztlichen Ethos verpflichtet.

So bleiben die klinischen Forschungen der Thiosemikarbazone während 1942-1945 verborgen und unklar, ob sie korrektem ärztlichen Handeln entsprechen. Diese wissenschaftliche Unredlichkeit ordnet sich dem Interesse der Bayer AG-Werke unter, das im April 1943 und noch im gleichen Jahr in-vitro und in-vivo getestete Tb 1 so in den Handel zu bringen, dass der Eindruck erweckt wird, das Präparat sei nach dem Krieg entwickelt worden. Damit werden Forschungsanstrengungen und -erfolge von 1941-1945 ungeschehen gemacht. Dabei sind die Tuberkuloseforschungen weitgehend der vorausschauenden Initiative Domagks zu verdanken, folgt man seinen Lebenserinnerungen. Diese Forschungen, mühsam durchgesetzt bei der Direktion, sind nicht so viel versprechend für Bayer AG wie die Sulfonamidforschung, besonders die Gasbrandforschung.  Die Forschungen zu dem später Conteben genannten Tuberkulostaticum stehen eindeutig unter den Verwertungsinteressen von Bayer AG. Die erheblichen Nebenwirkungen dieser Substanz werden von den Bayer AG-Forschern nicht anerkannt. Der ‘großzügige’ Umgang mit Todesfällen in der Phase der klinischen Testung mag der nationalsozialistischen Erbschaft geschuldet sein, muss  Domagk aber beschwert haben, auch wenn er ungeduldig war, wie sein Biograf schreibt. Conteben bleibt in seiner Anwendung weitgehend auf Deutschland beschränkt, auch wenn es im Ausland keinen Patentschutz genießt.  Nach dem Besuch von Hinshaw und McDermott in Deutschland im September 1949 wird in den USA Conteben klinisch getestet wird. Doch man verlässt sich auch weiterhin auf die Kombination Streptomycin mit PAS.

Den fehlenden internationalen Anklang des Contebens bringt man – zeitbedingt – mit dem vermeintlichen antideutschen Ressentiment der Alliierten in Verbindung, ein Resultat eines tief verwurzelten Antiamerikanismus. Auch Domagk schürt ihn, indem er umlaufenden Gerüchten nicht entgegentritt, sondern die  Amerikaner hinstellt als Besatzer, der sich nicht von seinen wissenschaftlichen  Ergebnissen überzeugen will, nach dem Motto: ein deutsches Produkt aus dem besiegten Deutschland kann nicht gut sein. Auf der anderen Seite wird Domagk nicht müde, die Gleichwertigkeit mit dem Streptomycin, wenn nicht Überlegenheit des Contebens zu betonen. Er handelt hier als Industrieforscher mit der Autorität eines Nobelpreisträgers und eines  Wissenschaftlers ohne Nazivergangenheit. Eine Rolle, die er immer mehr übernimmt und die er nicht aufgeben kann, ohne Gefahr zu laufen, dass seine eigene Vergangenheit im „3. Reich“ problematisiert wird. Er zeigt sich zeitlebens – soweit sich das bislang sagen lässt – mit sich im Reinen: er habe nur dem Militär ärztlich gedient, eine Vorstellung, die Anfang der 1960er Jahre durchaus verbreitet ist. Dennoch kann man feststellen, dass seine Einbindung in die Bayer AG-Werke mit den daraus resultierenden Konsequenzen kaum seinen Vorstellungen entsprochen haben dürfte, die seinen Wechsel von der Universität in die Industrie 1927 begleitet haben. Eine verklausulierte, manchmal auch direkte Enttäuschung kann man in seinen Lebenserinnerungen finden. Eine wohl für ihn schmerzliche Folge besteht in der Tatsache, dass er als Tuberkuloseforscher, der den Weg zum INH  mit der Entdeckung der tuberkulostatischen Wirksamkeit der Thiosemikarbazone gebahnt hat, weitgehend unbekannt ist; er wird mit den Sulfonamiden in Verbindung gebracht wird. Auch dies wird ihn innerlich bewegt haben.

‘Erträglich’ wird die Einengung der Tuberkuloseforschung auf die Zeit nach 1946, die das Conteben betrifft und das Desaster um INH, für Domagk dadurch, dass mit der ‘Geschichte der nicht zurückgegebenen Akten’, die die weiterführenden Forschungen enthalten, eine Erzählung zur Verfügung steht, die seinen Anspruch als Entdecker des INH untermauert. Zudem wird diese Erzählung noch glaubwürdiger, als sie den vorhandenen Antiamerikanismus aufnimmt. Diese Geschichte hat für den Verbreiter den unschätzbaren Vorteil, nicht widerlegt werden zu können. Sie sorgt dafür, sich als der wirkliche Sieger fühlen zu können, der nur durch unlautere Tricks am Erfolg gehindert werden kann.  Der Verlierer ist der eigentliche Sieger – eine Art der Auseinandersetzung, mit der die Katastrophe auch des Kriegsausgangs leichter zu ertragen ist. Man ist Opfer unlauterer Tricks geworden. Und innerlich erlaubt es Domagk, die Enttäuschungen besser zu ertragen, möglicherweise nicht zu spüren – einen  Preis, den er mit seiner bruchlosen Hinwendung zum Europäer statt der redlichen  Beschäftigung der eigenen Involviertheit bezahlt. Die Tricks, zu denen  viele Deutsche und auch Domagk bei der Entnazifizierung greifen, sind gesellschaftlich erlaubt. Sie läuten die Phase der Verdrängung, bei Domagk zusätzlich der Mythenbildung ein. Auf diesem Hintergrund ist eine solche Verschwörungstheorie wie die ‘von den nicht zurückgegebenen Akten’ leichter zu glauben als handfeste Fakten. Eigene Enttäuschungen werden umgewandelt in Ressentiments.

Das Aufkommen und die beginnende Blütephase der Penicilline[95] werden Domagks Enttäuschungen nicht mildern. Allen drei gewichtigen Entdeckungen Domagks, der antimikrobiellen Wirksamkeit der Sulfonamide, den Thiosemikarbazonen als Tuberkulostatica und dem  Antituberkulotikum INH, wohnt ein Tragik inne trotz unbestreitbarer Erfolge.

 

[1]Ausführlich: Stummeyer D (2020) Domagk 1937-1951 – Im Schatten des Nationalsozialismus, Springer Berlin,  S. 47-62.

[2] Grundmann E (2001) Gerhard Domagk – Der erste Sieger über die Infektionskrankheiten, LIT Münster, S. 189/90.

[3]Zu den Lebenserinnerungen, s. Stummeyer [wie Anm. 1], S. 7-15.

[4]Domagk G (~1960) Lebenserinnerungen, Band I, S. 64-71.

[5]Domagk [wie Anm. 4], S. 64, 65.

[6]Domagk [wie Anm. 4], S. 73.

[7]Zur Vorgeschichte: Schreiber W (1985) Vor 50 Jahren: Entdeckung der Chemotherapie mit Sulfonamiden, Dtsch. med. Wschr 110,  1138-42.

[8]Domagk [wie Anm. 4], S. 68.

[9]Lesch J (2006) The First Miracle Drugs: How the Sulfa Drugs Transformed Medicine, Oxford University Press, S. 289 und  nach Behnisch [wie Anm. 2], S. 50.

[10]Bickel M (1988) The Development of Sulfonamides (1932-1938) as a Focal Point in the History of Chemotherapy, Gesnerus 45, 67-86, hier S. 68.

[11]Noch  1940 spricht Domagk von einem mehrphasigen Heilungsprozess ([wie Anm. 32], S.203. Auf dem Dresdner Chirurgenkongress Oktober 1943 spricht der Chirurg Wilhelm Rieder von einem vernachlässigbaren Effekt durch Sulfonamide bei der Aktivierung der Abwehrkräfte auf Grund histologischer Befunde, ansonsten bestätigt er Domagks Befunde für die Klinik  (Zentralblatt für Chirurgie 1943, S. 1629).

[12]Domagk [wie Anm. 4], S. 67. Vgl. hierzu: Bickel [wie Anm. 10], S. 77/78.

[13]Bickel [wie Anm. 10], S. 71.

[14]Schreiber [wie Anm. 7], S. 1141..

[15]Schadewaldt H (1985) 50 Jahre Sulfonamide, Dtsch. med. Wschr. 110, 1179-1181, hier 1180.

[16]Tréfouël J, Mme Tréfouël J, Nitti F et Bovet D (1935) Activité du p-aminophénylsulfamide sur les infections streptococciques expérimentales de la  souris et du lapin, C. R. Soc. Biol.  120, 756-758.

[17]Domagk G (1947) Further progress in chemotherapy of bacterial infections, Nobel Lecture, December 12, 1947, S. 492 und  Bickel [wie Anm. 10], S. 74.

[18]Bickel [wie Anm. 10], S. 77.

[19]Domagk [wie Anm. 4], S. 71/72

[20]Die zeitlichen Zuordnungen sind in den Lebenserinnerungen nicht sicher zu treffen. Die um 1960 aufgeschriebenen Erinnerungen haben wahrscheinlich als Grundlage verschiedene, unterschiedliche Arten von Dokumenten und Erinnerungsstücken zur Grundlage gehabt und sind so diktiert und geschrieben worden. In der Literatur werden sie größtenteils als echtes Tagebuch geführt. Domagk hat dieser Sicht Vorschub geleistet, indem er Tag genaue Angaben macht, die oftmals dann einen Zeitraum von mehreren bis vielen Monaten umfassen. Zum Schluss (?) hat Domagk den gesamten Text redigiert, indem er besonders anstößige, zB antisemitische oder Hitler bewundernde Stellen so durchstrich, dass der ursprüngliche Text oftmals entzifferbar bleibt.

[21]Redeker D (1989/90) Zur Entwicklungsgeschichte der Tuberkulostatika und Antituberkulotika, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, S. 109. – Für August 1943 schreibt Domagk: Auf Grund dieses Befundes  [positive in-vitro Testung eines Thiosemikarbazons] veranlasste ich die Chemiker zu Variationen; erst waren sie harthörig,allmählich schmilzt das Eis; besonders Dr. Behnisch liefert Substanzen. Klarer steht etwas schmollend abseits, ist nach dem Angriff  krank nach Hause gefahren Mietzsch wird sich zur rechten Zeit einschalten…(Domagk [wie Anm. 4], S. 204/205).

[22]Domagk [wie Anm. 4], S. 207-209.

[23]Domagk [wie Anm. 4], S. 224. Tatsächlich findet diese Feier am 30.1.1945 statt; auf der gleichen Feier erhält Domagk die naturwissenschaftliche Ehrendoktorwürde.

[24]Lesch [wie Anm. 9], S. 289. Siehe auch Stummeyer [wie Anm. 1], S. 125. Domagk 1943, György 1954 Ehrenmitglieder der Deutschen Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin.

[25]Domagk [wie Anm. 4], S. 152.

[26]Domagk [wie Anm. 4], S. 62.

[27]Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, der Schwedischen Botschaft und der Charité – Universitätsmedizin Berlin [Hrsg] (2017) It’s Dynamite! Der Nobelpreis im Wandel der Zeit, Cuvillier, Göttingen , S. 31/32.

[28]Stummeyer D (2023) in https://gerhard-domagk-ein-mythos.de/links-dokumente/. Dieser Brief wird in dem in Anm. 1 erwähnten Buch nicht aufgeführt.

[29]Domagk [wie Anm. 4], S. 133. Der genaue Ablauf der Geschehnisse um die Verhaftung siehe Anm. 1.

[30]Dass diese Forderung Domagks Redigierung des gesamten Textes um 1960 unkommentiert übersteht, zeigt zumindest seine damalige (1939), vielleicht auch seine gegenwärtige (~1960) Aufgewühltheit.

[31]Domagk [wie Anm. 4], S. 133.

[32]Domagk G (1940) Zu den experimentellen Grundlagen der Chemotherapie der  bakteriellen Infektionen mitt den Sulfonamiden und ihren Derivaten, Dtsch. med. Wschr. 66, 203-205 und Bickel [wie Anm. 10], S. 74.

[33]Bickel [wie Anm. 10], S. 80.

[34]Ausführlich: Stummeyer  [wie Anm. 1], S. 85-92.

[35]Stummeyer D (2023) in https://gerhard-domagk-ein-mythos.de/links-dokumente/. Weil klinische Versuche unter dem Dermatologen und Naziaktivisten erfolgen, wird die klinische Testung des späteren Conteben 1946/47 wiederholt.und so getan, als sei dies der erste klinische Versuch. –  Am ehesten berichtet Domagk von den klinischen Untersuchungen 1942-1944 in [wie Anm. 36],  S. 172.

[36]Domagk G, Behnisch R, Mietzsch F, Schmidt H (1946) Über eine neue, gegen Tuberkelbazillen in vitro wirksame Verbindungsklasse. Naturwissenschaften 33, S. 315 (erschienen Juni 1947). Die von Redeker [wie Anm. 21], S. 92 aufgeführten Bemerkungen zum Patentschutz sind nicht korrekt.

[37]Moncorps C und Kalkoff K W (1947) Vorläufige Ergebnisse einer Chemotherapie der Hautötuberkulose. Med. Klin. 42, S. 812–816. Ab 1946 ist es wieder möglich, Patente aus Deutschland in Frankreich, ab August 1947 in USA , ab April 1948 in Großbritannien zu schützen (ht tp://www.fernsehmuseum.info/1945-deutsche-patente.html).

[38]Die genaue Patentgeschichte ist deshalb wichtig, weil sich Legenden darum ranken, die einen geistigen Diebstahl der Amerikaner konstruieren. (Die frei zugänglichen  deutschen Patentanmeldungen der verschiedenen Thiosemikarbazone aus 1943/44 sind wohl auf den FIAT-Filmen, die 1946 in der Zahl von ca. 146.000 mikroverfilmt werden. Nach dem Londoner Abbkommen von Juli 1946 sind alle deutschen Patente im Ausland beschlagnahmt worden. Nach Köbberling J (2021) stellen die Amerikaner ohne Skrupel das Präparat her [Gerhard Domagk und Philipp Klee. Die fruchtbare Zusammenarbeit der Gründungsväter der Medizinisch Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, Vortrag, S. 14]. So lässt zB Hundeiker 1945 amerikanische Offiziere vergeblich nach Präparaten suchen, indem das schwach gelbe Conteben ‘versteckt’ wird in rotem Prontosil (Hundeiker M (2014) Ein spannendes Kapitel der deutschen Medizingeschichte: Gerhard Domagk und der Kampf gegen die Tuberkulose, Lymphologie in Forschung und Praxis 18, S. 78-80. Oder es wird geraunt, die Amerikaner hätten nicht alle beschlagnahmten Forschungsunterlagen zurückgegeben., insbesondere die nicht, die die Weiterentwicklung der Thioemikarbazone betroffen hätten.) Siehe auch Stummeyer  [wie Anm. 1], S. 96, Anm.52. Zum ersten Mal (?) wird das später Tb 1, bzw Conteben genannte Präparat außerhalb Deutschlands erwähnt, wobei die Autoren sich auf Domagk et al.[wie Anm. 32] bzw. auf Moncorps/Kalkoff [wie Anm. 33] beziehen (Hoggarth E et al (1949) Studies in The Chemotherapy of Tuberculosis. Part V. Thiosemicarbazones and Related Compounds,  Brit. J. Pharmacol. (1949), 4, 248-253). Die umfangreichen Versuche umfassen die in Elberfeld bereits getesteten Präparate P 307, P 309, Q 242, R 874 (Domagk G (1947) Die Behandlung bakterieller Infektionen, Zentralblatt für Gynäkologie 69, 833-838, hier 837). Die Versuche beginnen  sicherlich schon 1948 und räumen mit der Legende auf,  die Thioemikarbazone als Tuberkulostatica seien erst mit dem Besuch Hinshaws und McDermotts in der jungen BRD

1949 nach Amerika gelangt ([wie Anm. 2], 123/124, zudem statt 1949 fälschlicherweise angegeben: 1947).

[39] So werden in Domagks ‘Thiosemikarbazonbuch’ nur in-vivo-Versuche berichtet, die nach Kriegsende erfolgt sind. In diesem Buch wird der Eindruck erweckt, Tb I ff. seien Nachkriegspräparate  (Domagk G et al. (1950) Chemotherapie der Tuberkulose mit den Thiosemikarbazonen. Thieme Stuttgart, S. 94).  Anders Domagk G (1948) Auswertung der Sulfonamide und verwandter Verbindungen am Tiertest, S. 153-182. In: Schönhöfer F [Hrsg] (1948) FIAT Review, Naturforschung und Medizin in Deutschland 1939–1946, Chemotherapie. Bd. 43, Dietrichsche Verlagsbuchhandlung Wiesbaden. In späteren Zeiten, nach 1952, erscheint diese Literaturstelle nicht mehr im deutschen Sprachraum.

[40]Domagk G (1952) Fortschritte der experimentellen Chemotherapie der Tuberkulose, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, 58. Kongress, J. F. Bergmann München, S. 312-319 und Schlußwort.

[41]Es handelt sich um Walther Schultze, dem Direktor der Hautklinik Uni Gießen. Stummeyer [wie Anm. 1], S. 101, Anm. 67 und Grundmann  [wie Anm. 2], S. 120.

[42]ZB Redeker [wie Anm. 21],  S. 94. Erst  Gerst T (2000) Catel und die Kinder. Versuche an Menschen – ein Fallbeispiel 1947/1948. 1999 – Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 15, S. 100–109

[43] Werner Catel ist involviert in die „Kindereuthanasie“, späterer (1960) Direktor der Kinderklinik  Uni Kiel. Stummeyer [wie Anm.1], S. 109-114 und Dokumente:

     https://gerhard-domagk-ein-mythos.de/links-dokumente

[44]Redeker [wie Anm. 21],  S. 91, Anm. 3. Domagk et al. [wie Anm.33]. Dokumente hierfür: Anm. 32.

[45]So heißt das Präparat der klinischen Versuche 1942-1944. Es ist ein Mischpräparat zu je ¼ aus Prontalbin, Eleudron, Marfanil (alle weiß) und einem gelben Thiosemikarbazon (P 306, P 307, P 309, u.a.)

[46]Domagk [wie Anm. 38b], S. 172.

[47]Indirekt kommt Domagk darauf zu sprechen. Er schreibt: …Dieser Dr. Simons vom … glaubt noch in allem Ernst der amerikanischen Greuelpropaganda, nach der die I. G.-Farben im Krieg Patente nach den USA gegeben haben sollen, bei deren Nachprüfung die Bearbeiter in die Luft geflogen seien… (Domagk [wie Anm. 4], S. 160).

[48]Redeker [wie Anm. 21], S. 104 zitiert Barry VC (1964) Chemotherapy of  Tuberculosis, London:, S 49: Early adverse reports have discouraged thorough clinical evaluation outside Germany.

[49]Päuser S (2012) Isoniazid (Rimifon): erstes Spezifikum gegen Tuberkulose, S. 25. In: Lebensretter für Millionen, Editiones Roche, Basel

[50]Redeker [wie Anm. 21], S. 98/99. und S. 96.

[51]Domagk [wie Anm. 4], Band II, S. 79.

[52]Barry VC (1951) Chemotherapy of Tuberculosis, Nature, 29.9., S. 539-541.

[53]Diese Frage drängt sich auf: Grundmann  [wie Anm. 2], S. 127, Domagks Biograf, sich Gedanken machend:. ...Er hätte damit [Conteben, DS] den zweiten Nobelpreis erhalten müssen… 

[54]Domagk [wie Anm. 4], zB S. 51, 52, 55.

[55]Domagk [wie Anm. 4], Band II, S. 80 und 88. Auch der Bericht über seine Südamerikareise 1949/50 in Band II ist im gleichen Jahr (1950) geschrieben und in seine späteren Lebenserinnerungen übernommen worden, wenn auch chronologisch  nicht korrekt. – Die geniale Führung und die geniale Tat, ganz ohne Anführungszeichen im Ursprungstext, später durchgestrichen bei der Redigierung der Lebenserinnerungen: Domagk [wie Anm. 4], S.87 und 107.

[56]Päuser [wie Anm. 48], S. 45.

[57]https://ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-152015/der-schwindsucht-die-stirn-bieten/

[58]Meyer H und Mally J (1912) Über Hydrazinderivate der Pyridincarbonsäuren, Monatshefte für Chemie 33, 393–414.

[59]Redeker [wie Anm. 21|, S. VII, 81, 87, 198. Hier ist von gleichzeitiger und fast gleichzeitiger Entdeckung die Rede. Er legt sich später fest: Die Elberfelder sind die Ersten. Den eigentlichen klinischen Erstbeschreiber des INH macht er in Ernst Tanner, einem Direktor einer Lungenheilstätte in Arosa/Schweiz aus. Er zitiert aus: Tanner E (1951) Über den Versuch einer neuen medikamentösen Therapie der Bronchotuberkulose, Helvetia Medica Acta 18, 456-460. Nur: als neues Medikament wird Nikotyl Benicot Roche genannt, ein Nikotinsäureamid, jedoch nicht INH (Rimifon). Erst mit: Tanner E, Wanner J, Wehrlin H und Ramer Z (1952) Rimifon in der Behandlung der Tuberkulose; erste klinische Beobachtungen, Schweizerische Zeitschrift für Tuberkulose IX, Fasc. 4, S.255-266, wird in der Schweiz erstmals über klinische Befunde des INH berichtet. Redeker unterstellt Bernhard Fust, Leiter der Abteilung für Chemotherapie bei Roche, die in-vivo Versuche mit INH um ein Jahr auf Sommer 1950 vorverlegt zu haben wegen Prioritätsansprüchen und beruft sich dabei auf: Grunberg E and Schnitzer RJ  (1952) The Effect of Hydrazine Derivates of Isonicotinic Acid on the Infection of Mice with M. Tuberculosis Var. Bovis, Yale Jornal of Biology and Medicine, S. 359-365. Dort ist von in-vivo Versuchen mit Tb-Bazillen Var. Bovis, nicht des Typus hominis die Rede. Dass derartige Versuche früher

stattgefunden haben könnten, legt Sabine Päuser (Hoffmann-La Roche) nahe. Sie spricht von ebendiesen Versuchen im Sommer 1950 (Päuser [wie Anm. 49], S. 31), die freilich erst Anfang 1952 veröffentlicht werden: Grunberg E and Schnitzer RJ  (1952) The Effect of Hydrazine Derivates of Isonicotinic Acid on the Infection of Mice, The Quarterly Bulletin of Sea Water Hospital, S. 3-11. Walsh  McDermott (einer der klinischen Mediziner, die das Sqibb-INH testen), der allerdings einen Vorsprung von 11 Tagen bei den amerikanischen Firmen sieht hinsichtlich der in-vivo Versuche, schreibt Jahre später: To attempt to determine in which laboratory the actual antituberculious activity of isoniacid was first demonstrated is an idle exercise… Obviously, all the groups were making identical observations within a very short span of time...(McDermott (1969) The Story of INH, The Journal of Infectious Diseases 119, S. 678-683, hier S. 678 und ders. (1952) Isonicotinic Acid Derivates in Treatment Tuberculosis, Transactions of the Annual Meetings, NY, 421-424.) Unbestritten veröffentlichen erste klinische Befunde zu INH: Selikoff I, Robitzek E, Ornstein G (1952) Chemotherapy of Human Tuberculosis with Hydrazine Derivates of Isonicotinic Acid (Preliminary Report of Representative Cases),  The Quarterly Bulletin of Sea Water Hospital, S. 27-51.

[60] Offe H, Siefken W und Domagk G (1952)  ) Neoteben, ein neues, hochwirksames Tuberculostaticum und die Beziehungen zwischen Konstitution und tuberculostatischer Wirksamkeit von Hydrazinderivaten. Die Naturwissenschaften 39, S. 118. Sie postulieren ein Strukturelement in der Strukturformel verantwortlich für die antituberkulöse Wirksamkeit. Daraufhin werden Verbindungen mit diesem Strukturelement synthesiert und deren antituberkulöse Wirksamkeit bestimmt.

[61]Chorine V (1945) Action de l’amide nicotinique sur les bacilles du genre Mycobacterium, C.

  1. Acad. Sci. 220, S. 150.

[62]Fust B (1952) Die Entstehungsgeschichte von Rimifon „Roche“,  Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, 58. Kongress, J. F. Bergmann München, S. 325-327.

[63]Domagk [wie Anm. 40], S. 313.

[64]Domagk [wie Anm. 59], S. 118.

[65]Domagk [wie Anm. 59], S. 118.und Domagk [wie Anm. 40], S. 313.

[66]In ihrem ausführlichen Bericht geben Offe A, Siefken W und Domagk  G (1952) Hydrazinderivate aus Pyridincarbonsäuren und Carbonylverbindungen und ihre Wirksamkeit gegenüber Mycobacterium tuberculosis, Z. Naturforschg. 7 b, 462—468; diese Erklärung aus der ersten Veröffentlichung zu Neoteben nicht. Die Versuche der Pyridinreihe folgen offensichtlich „trial and error“. Folgerichtig zitieren sie nur Buu-Hoi, den französisch-vietnamesischen Pharmakologen und nicht Chorine.(nature 227, 23.6.1972, https://www.nature.com/articles/237470b0, zugegriffen 18.3.2024).

[67] Um dies deutlich zu zeigen, unterfüttert Domagk seine Behauptung mit ganz aktuellen,            wissenschaftlichen Unterssuchungen zur Hemmumngswirkung von Nicotinsäure, Isonicotinsäure und Nicotinsäureamid:  Domagk [wie Anm. 40], S. 316.

[68]Hundeiker M (2014) Gerhard Domagk (1895-1964) und die ersten Medikamente gegen Tuberkulose, Pneumologie 68, 394-396, hier 395 und [ Anm. 40].

[69] Domagk [wie Anm. 4],  Band II, S.3/4

[70]Heilmeyer L (1971) Lebenserinnerungen. Schatthauer, Stuttgart, S. 88.

[71]S.Redeker [wie Anm 59].

[72]Heilmeyer L (1959) Zur Geschichte der Chemotherapie der Tuberkulose, Wiener Med. Wsch. 110, S. 134-138, hier S. 136.

[73] Grundmann [wie Anm. 2] S. 126.

[74]McKenzie D et al.(1948) The Effect of Nicotinic Acid Amid on Experimental Tuberculosis of White Mice, Journal of laboratory and clinical Medicine 33, 1249. In dieser Arbeit wird die Verabreichung von Nikotinsäureamid in großen Dosen in der Wirkung etwa dem Streptomycin gleichgesetzt. Zugabe von Riboflavin vermindert erheblich die große Menge an zugeführtem Nikotinsäureamid.

[75]Reise zum XII. International Congress of Pure and Applied Chemistry September 1951.

Besonders die drei Vorträge von Herbert Fox, Chemiker bei Hoffmann-La Roche, dürften Domagk interessiert haben über Synthetic Tuberculostats, insbesondere über Isonikotinaldehydthiosemikarbazon und verwandte Verbindungen.

[76]Klee P (1952) Über Neoteben (Isonikotinsäurehydrazid). Dosierung, Anwendungsform und erste Ergebnisse bei Tuberkulose, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, 58. Kongress, J. F. Bergmann München, S. 320.

[77]Domagk G (1952) Chemotherapie der Tuberkulose, Ärztliche Zeitung 4, Heft 5.

[78] Domagk [wie Anm. 4], Band II, S. 158.

[79] Grunberg E and Leiwant B (1951) Anti-Tubercular Activity in vivo of Nicotinaldehyd Thiosemicarbazone and Its Isomers. Proc. Soc. Exp. Biol. Med. 77, S. 47–50. Grunberg E and Schnitzer R [wie Anm. 59f]. Levaditi C, Girard  A, Vaisman A et Ray A (1950) Etude expérimentalle de l’activité antituberculeuse de la béta-pyridine-aldéhyd-thiosémicarbazone. C. R. Acad. Sc. 231, S. 1174-1176.

[80]In den USA ist man, ausgehend von der antituberkulösen Eigenschaft bestimmter Sulfonamide,  zu 5-Amino-pyridinderivaten gelangt (Fitzgerald R and Finestone H (1943) Nature of the Activity of  Sulfonamides for the Tubercle Bacillus, Proc. Soc. Exper. Biol. Med. 52, S. 27-30 und Finestone H. (1948) A New Class of Tuberculostatic Substances, ebd. 63, S. 153-155. Die letztere Publikation veranlasst die Herausgeber der American Review of Tuberculosis einen an sie gerichteten Brief unter Letters to the Editors  zu publizieren: Corper H.J., Cohn M.L., Frey W.H.(1949) A Pyridine Derivate and Experimental Tuberculosis, Amer. Rev. Tub. 60, S. 269-271.

[81]Päuser [wie Anm. 49], S. 32. Vgl. auch: Fox H (1952) The Chemical Approach to the Control of

Tuberculosis, Science 116, 129-134.

[82] Fox H (1952) Synthetic Tuberculostats. Isonicotinaldehyde Thiosemicarbazone and Some Related Compounds, Main congress lectures and lectures in the sections, Birkhäuser Basel, S. 299.

[83]Päuser [wie Anm. 49], S. 38/39.

[84]Marsilid, ein Isopropylderivat des INH, unter dem Namen Iproniazid wird ab 1958 als Antidepressivum kurze Zeit benutzt (https://de.wikipedia.org/wiki/Iproniazid, zugegriffen 19.3.2024).

[85]Selikoff I, Robitzek E, Ornstein G [wie Anm. 58i].

[86]McDermott [wie Anm. 59g], S. 679.

[87] Britischer Bakterologe. Klinische Untersuchungen mit Prontosil.

[88]Berühmter britischer Medizin- und insbesondere Tuberkuloseforscher.

[89]Colebrook L (1964) Gerhard Domagk (1895-1964), Biographical Memoirs S. 39-51   ( https://royalsocietypublishing.org/ zugegriffen 29 März 2024). Mit Russians meint er die beiden russischen Forscher Shpanier und Chertkova, die ein Mäusemodell zum Screenen von Substanzen entwickelt haben: Chemotherapeutic Properties of Some Amides of  the α-furan Carbonic Acid in Tuberculosis, Problems of Tuberculosis No. 4 (1944), S. 9.

[90]Das bekannteste, von Schering vertriebene Sulfathiodiazol ist das Globucid. 1941 von Josef(ph) Vonkennel (NSDAP , SS), zuletzt SS-Sturmbannführer und Josef(ph) Kimmig (NSDAP, SA) hergestellt. Bis 1963 ist Vonkennel Unihautklinikdirektor in Köln. Suicid wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen wegen tödlicher Humanversuche mit Diaminodiphenylsulfon im KZ Buchenwald (Vonkennel und Kimmig). Kimmig ab 1951 Ordinarius in Hamburg.

[91]Die über 2jährige Phase von der in-vitro Entdeckung der antimikrobiellen Eigenschaft bis zur Bestätigung der klinischen Wirksamkeit des Prontosils, erst Anfang 1935 erfolgt eine Publikation Domagks, hat zu allerlei Spekulationen geführt.

[92]In einem Brief nach dem Krieg berichtet Domagk von einem Ruf nach Heidelberg und einer möglichen Nennung auf der Berufungsliste in Göttingen (Brief an Georg B. Gruber vom 22.6.46, Cod_Ms_Gruber_1_5_5). Er spielt mit dem Gedanken, sich zu verändern. In diesem Zusammenhang wohl lässt er sich von der Bayer AG-Personalabteilung ausrechnen, mit welchen Bezügen er nach seinem Ausscheiden aus der Firma weiter zu rechnen habe. Hierbei wird deutlich, dass Domagk die letzten Kriegsjahre über 50.000 RM an Tantiemen bzw. Sondervergütung im Jahr bei Bayer AG bezogen hat.

[93]Wegen des Krieges werden die Nobel Lectures 1939 abgesagt. Domagk holt 1947 seine Nobel Lecture nach.

[94]Sein Biograf fragt ihn hierzu,  Domagk antwortet: …“Die ganze Tragik, die Judenvernichtung –,  ich brauchte nach dem Kriege Jahre, bis ich das glaubte!“… (Grundmann [wie Anm. 2], S. 176). Wenn man vom Gebrauch des Wortes Tragik absieht, kaum zu glauben bei einem in das nationalsozialistische Deutschland so eingebundenen Wissenschaftler. Verdrängung, Verleugnung und Spaltung machen es möglich. Peter Longerich nennt das die ostentative Ahnungslosigkeit… Flucht in die Unwissenheit und konstatiert eine Verweigerungshaltung der zweiten Kriegshälfte, für das Geschehen Verantwortung zu übernehmen (Longerich P ( 2007) „Davon haben wir nichts gewusst!“, Pantheon München,  S. 328).

[95]Domagk ist anfänglich negativ dem Penicillin gegenüber eingestellt, zeigt gegen Kriegsende eine skeptische Haltung(https://gerhard-domagk-ein-mythos.de/mythos-domagk-2/#open, Abb.11), relativiert diese jedoch, als er zB in der Nobel Lecture 1947 Penicillin als sinnvolle Kombination mit einem Sulfonamid bei der Behandlung bestimmter Infektionen ansieht. 1959 empfiehlt er zwar zur Behandlung von schweren  Infektionen: Was allein mit Sulfonamiden nicht erreichbar ist, kann man durch Antibiotika, die im Gefolge [sic, DS] der Sulfonamide entwickelt wurden, heute auch [sic, DS] erreichen oder durch Kombination von Sulfonamiden + Antibiotika…wie zB Chloramphenicol [gehört nicht zu den Penicillinen, DS]) und fährt fort…Die Sulfonamide sind in der weiteren Entwicklung von Penicillin und weiteren Antibiotika zeitweilig weitgehend verdrängt worden… (Domagk G (1959) Die Entwicklung der Chemotherapie der Infektionskrankheiten in den letzten 30 Jahren und die Zukunftsaussichten für eine Chemotherapie des Krebses, Wiener Med. Wsch. 110, 131-134), Es fällt Domagk sichtlich schwer, die Penicilline als Nachfolgegruppe der Sulfonamide zu akzeptieren.