Gerhard Domagk – Nur ein “Deutscher Patriot”

                                                                                                                              …, so ist es die unumgängliche Erkenntnis,
dass Anpassung an einen Unrechtsstaat
Unrecht ist.

                Fritz Bauer, 1964

Zur Geschichte der Sulfonamide II

Gerhard Domagk – nur „ein deutscher Patriot“?*

Dieser Aufsatz will zur „Entmystifizierung“ des Nobelpreisträgers Gerhard Do­magk beitragen, dabei jedoch nicht die Bedeutung seiner wissenschaftlichen Leis­tung in Frage stellen. Sein Bild in der Zeit des Nationalsozialismus, das bisher von ihm gezeichnet wird, soll korrigiert und damit so verständli­cher werden, dass es nicht unverbun­den mit der tief in das NS-System verstrickten I.G. Farben steht, bei der er ange­stellt ist. Seine eigenen Erinnerungen an die Zeit von 1939–1945 sind nicht in Einklang mit der späteren Darstellung seiner Person in der Biografie von Grundmann zu bringen: Sie ist eine geglättete Sicht. Im Zentrum dieses Auf­satzes steht die Nobelpreisver­leihung an Domagk Ende 1939 und seine Eingebun­denheit in das „Dritte Reich“.

Domagk bei Grundmann und Behnke

I.

Die Anfang der 1960er Jahre von Domagk aufgeschriebenen Lebenserinnerungen[1] – 600 Schreibmaschinenseiten – sind 1995 in gekürzter Form (108 Seiten) von der Bayer AG zu seinem 100. Geburtstag herausgegeben worden – verwunderlich spät bei der Be­deutung Domagks.[2] Diese aufgezeichneten Erinnerungen, die nicht zur Veröffentlichung vorgesehen waren und oft nicht elaboriert sind, und die persönli­che Bekanntschaft dienen Ekkehard Grundmann (*1921) hauptsächlich als Grund­lage seiner Biografie; er ist selbst 1963 für 8 Jahre sein Nachfolger am Institut für Ex­perimentelle Pathologie der Bayer AG und 2001 sein erster Biograf. Auch Beh­nisch (1909–1997), als Chemiker seit Mitte der 1930er Jahre mit Domagk zusam­menarbeitend, benutzt sie als Quelle biografischer, aber auch wissenschaftsge­schichtlicher Ereignisse.[3]

Diese Biografie ist auf ein Ziel hin geschrieben. Domagk wird von Grundmann   so skizziert, dass er als “deutscher Patriot“[4], unempfänglich für nationalsozialisti­sche Ideologie und  auch nicht eingebunden in das „Dritte Reich“ erscheint. Diese Charakterisierung soll suggerieren, als sei es für einen Wissenschaftler wie Do­magk möglich gewesen als nicht-involvierter „deutscher Patriot“ im „Dritten Reich“ zu leben. Paul Weindling, Butenandt im Auge habend, beschreibt diesen Begriff, des­sen Definition auch für Domagk zutrifft: Was man zu jener Zeit als Patriotismus begreifen mochte, bedeutete tatsächlich nichts anderes als die wis­senschaftliche Unterstützung für die wehrmedizinischen Forschungsanstrengun­gen des national­sozialistischen Staates.[5]  Grundmann versucht, diesen histori­schen Zusammen­hang aufzulösen, was ihm aber nur gelingen kann, indem er Fak­ten seinen Wün­schen opfert. Wie dies für einen so herausragenden Forscher der I.G. Farben,  mit vielfältigen wis­senschaftlichen Kontakten,  mit einem eminent kriegswichti­gen Forschungsgebiet nicht zutreffen soll, bleibt in dieser Biografie un­problematisiert und damit unglaub­würdig. Elisabeth Crawford fasst diesen Be­fund so zusam­men: … all three prize­winners [die Nobelpreisträger Domagk, Kuhn und Butenandt, D.S.] were scien­tists of unquestionable loyality and utility for the Nazi regime.[6] Für diese Aussa­ge lassen sich in seinen fast 20 Jahre nach dem Ende des „Dritten Reiches“ nie­dergeschriebenen Erinnerungen genügend Belege fin­den.

Lediglich zwei der auffälligsten Beobachtungen aus Grundmanns Biografie sollen hier im Fokus stehen. Im Vorwort erwähnt er die „etwa 700 maschinengeschriebe­ne(n) Seiten“ von Domagks Erinnerungen, „tagebuchartig niedergeschrieben“, al­lerdings ohne das Datum ihrer Aufzeichnung zu erläutern. Authentische Vergan­genheit hat es dann schwer sich zu behaupten: „Er hat vor sich selbst … kein Blatt vor den Mund genommen, wenn er die NS-Parteigrößen karikierte …“[7]  Schon hier wird man darauf eingestimmt, den Unterschied von „tagebuchartig“ und tat­sächlichem Tagebuch zu vergessen. In späteren Zitaten wird aus den lange nach Kriegsende geschriebenen Erinnerungen in der Tat ein ‘Tagebuch’. Das zeigt sich z.B., hier besonders eklatant, wenn  Grundmann begründen will, warum es  nicht vor Kriegsende zur Ordensverleihung für Domagk kommt, ohne die nähe­ren Um­stände zu schildern. Rektor Siegmund der Universität Münster – Grundmann nennt ihn seinen Freund[8] – schlägt Ende 1943 dem Präsidenten des Reichsfor­schungsrats, Reichsmarschall Göring, Domagk für diese Ehrung vor.  Zur Unter­stützung dieser Eingabe bittet Siegmund den Universitäts­kurator – zugleich Gau­amtsleiter –, sich für ein befürwortendes Schreiben der Gauleitung einzusetzen.[9]  Lapidar stellt Grundmann fest: „Es ist nicht dazu [Ordensverleihung, D.S.] ge­kommen. Die Einstellung Domagks war wohl höheren Orts bekannt. Er hat sie selbst in seinem Tagebuch 1944 (fett nicht i.O., D.S.) niedergeschrieben …“ Es folgt ein längeres Zitat aus Domagks Erinnerungen aus den 1960er Jahren.[10] Aus „tagebuchartig“ wird ein „Tage­buch“. Oft­mals tauchen in der Biografie solche vermeintlichen Tagebucheintra­gungen aus dem Fundus seiner späten Erin­nerungen auf: Es gibt kein Tagebuch Domagks.[11] In der 3 Jahre später erscheinenden Englisch-Ausgabe der Biografie bleibt der Satz „Es ist nicht dazu gekommen“ unübersetzt.[12]

Ebenso unverständlich Grundmanns Behauptung, er habe keinen einzigen Brief von Domagk gelesen oder gefunden im Bayer-Archiv, der mit „Heil Hitler“ unter­zeichnet sei. Schon eine nicht mit dieser Absicht durchgeführte Recherche bringt eine größere Zahl von Briefen mit „Heil Hitler“ ans Tageslicht. Domagk ging – wie nicht anders zu erwarten – durchaus differenziert mit diesem Gruß um. In Schreiben z.B. an die Auslandsabteilung des Reichsgesundheitsführer Conti hält er ein „Heil Hitler“ für angebracht.[13]

Die zweite Beobachtung, die besondere Aufmerksamkeit verlangt, bezieht sich auf die Aufzählung von Domagks Ehrungen, besser gesagt, deren zeitliche Abfolge.  In der Broschüre mit seinen (schon gekürzten ) Erinnerungen ist keine Ehrung für das Jahr 1940 verzeichnet. In Domagks selbst geschriebenem Lebenslauf anläß­lich der Verleihung der Ehrensenatorenwürde der Universität Greifswald im Juli 1943 hat er zwei Auslandsehrungen für 1940 verzeichnet, in Barcelona und wohl in Madrid.[14] Genauer ist seine Personalakte der Universität Münster, die drei Ge­nehmigungen für Auslandsreisen aufweist, nach Szeged, Spanien und Rom.[15]  Die früheste Genehmigung datiert auf den 10.1.1940,  5 Wochen nach Domagks Ber­linreise, auf der er gezwungen wird, einen vorgefertigten Brief mit der Ablehnung des Nobelpreises zu unterschreiben. Bei Grundmann erfährt man erst für das Jahr 1941 von Ehrungen im Ausland (Rom, Bologna und Budapest).

II.

Wie sind nun die beiden Befunde einzuschätzen?  Die Gleichsetzung später  nie­dergeschriebener Erinnerungen mit aktuellen Tagebucheintragungen mag auf den ersten Blick eine größere Authentizität versprechen. Doch wenn sie wortlos ge­schieht, ist eine Vermutung nicht von der Hand zu weisen: Etwas, was später in der Regel vielfältig bearbeitet worden ist – und das sind Erinnerungen – soll eben nicht als veränderte, sondern als unverfälschte, aktuelle Erinnerung in Erschei­nung treten. Auf diese Weise kann der Domagk Grundmanns Einer werden, der 1944 seinem ‘Tagebuch’ anvertraut: „Das NS-System begann mit Lügen und er­stickte in Grausamkeit und Blut“.[16] So wird aktuelles Erleben unentwirrbar ver­mengt mit späteren Erinnerungen, Gedanken und Einsichten. Grundmann bleibt den Nachweis dafür schuldig, wenn er von Domagk berichtet, in seiner Haftzeit im Nov. 1939  niedergeschrieben zu haben, es sei leichter, Tausende von Men­schenleben zu vernichten, als eines zu erhalten. Ein Widerstandskämpfer? fragt und verneint sogleich Grundmann.[17] Eine seltsame Frage, die angesichts von Do­magks Eingebundenheit in das „Dritte Reich“ trotz dieser mehrtägigen Haft­zeit absonderlich wirkt, die Grundmanns  ‘Bearbeitung’ der Erinnerungen aber verrät?

Grundmann ist an dieser Frage nicht schuldlos.[18] Dadurch, dass er Domagk 1940 nicht  zu Ehrungen ins Ausland reisen läßt, suggeriert er ein längeres Reiseverbot durch den NS-Staat nach Domagks Festnahme, nach der er sich bewähren müß­te[19].  Tatsächlich erhält er schon im Januar 1940 die Genehmigung zur Annahme  einer Ehrung aus dem Ausland und zu zwei weiter in der Personalakte aufgeführ­ten Auslandsreisen des Jahres, ohne dass sich in den Unterlagen Hinweise auf eine geänderte Genehmigungspraxis erkennen ließen.

Die beiden von Grundmann vorgenommenen ‘Bearbeitungen’ gehen in die gleiche Richtung und sind vorweggenommen in Art, wie die unpublizierten Lebenserinne­rungen gekürzt worden sind: Sie erzeugen einen Eindruck, Domagk habe nicht nur eine innere antinationalsozialistische Einstellung gehabt, sondern auch aus ihr keinen Hehl gemacht. Und er habe des­halb Nachteile unter dem NS-Regime zu er­tragen gehabt. Die Biografie be­müht sich, die wissenschaftlichen Beziehungen, z.B. zu Hans Schmidt[20], Behring-Wer­ke, der Leiter des firmeneigenen Instituts für Experimentelle Therapie und gleich­zeitig Professor der Uni Marburg ist, zu Wal­ter Menk[21], der Sulfonamidprä­parate Domagks in jüdischen Krankenhäusern auf Antimalariawirkung in Polen testet, oder zu Ludwig Lendle[22], unter dessen Lei­tung das Pharmakologie-Institut Münster eine Außenstelle des Heeres-Waffenam­tes wird,  im Dunkeln zu lassen. Sie würden eine zu große Nähe zum NS-System offenbaren. Andere, aber im Gegensatz hierzu aufge­führte Forscher, mit denen Domagk auch Kontakt hatte, mit größerer oder großer Nähe zum NS-System, blei­ben in dieser Hinsicht unkenntlich (z.B. Bürger [Domagks Doktorvater und Freund, NSDAP, in Menschenversuche verwickelt], Butenandt [Nobelpreisträger 1939, NSDAP, zumindest staatsloyal], Kalkoff [NSDAP, OA in der Tuberkulose­klinik Hornheide und PD in Münster, klin. Tbc-Versuche], Hörlein [Vorgesetzter, NSD­AP, „Giftgasex­perte“, Koordinator der IG Phar­ma-Sparte, Wehrwirtschafts­führer], Hoff [Freund und Studienkoll­ege, SA, NSDAP,  NS-Dozentenbund], Gut­zeit [NSDAP, Hepatitisübertragungsversuche beim Men­schen, im Beirat Karl Brandts, RK zum KVK m. Schw.], Heilmeyer [SA, Direk­tor der Klinik Krakau, Gutachter wegen der KZ-Versuche an „Zigeunern“], Konjetzny [NSDAP, SA, för­dern­des Mitglied SS], Kuhl­mann [NSDAP und SS, Durstversuche am Menschen], Richard Kuhn [Nobelpreis­träger 1939 (für 1938), hoher Forschungsfunktionär, wiss. Zusammenarbeit], Moncorps [NSD­AP, als De­kan 1951 an der Berufung v. Vers­chuers nach Münster aktiv betei­ligt], Lo­ebell [Freund, NSDAP und SA, NS-Dozentenbund], Delfs [als Medizinaldirektor 1952 (bis 1959) die Identität des „Eu­thanasiearztes“ Prof. Heyde als „Dr. Sawade“ schützend], Vonkennel [NSDAP,­ SS und SD][23], Sieg­mund [NSDAP, Goethe-Me­daille von Hitler])[24]. Die sich daraus ergebende Frage nach Domagks Wissen bzw. seinem Wegsehen von unethischen Versuchen im NS-System kann so nicht abschließend beantwortet werden: Das bewußte und unbewußte Weg- und Über­sehen als Voraussetzung des ‘Nicht-Wissens’ kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, und trotzdem muß die Frage der Verantwortlichkeit gestellt werden. Es zeigt sich jedoch auf jeden Fall die starke Präsenz und Verankerung des NS-Systems in der deut­schen Ärzteschaft und gleichzeitig, dass die Abwesen­heit der NSDAP-Mit­gliedschaft – wie bei Domagk, Hans Schmidt, Marburg und Richard Kuhn – kei­neswegs Ausweis dafür sind, gesellschaftlich in einer Aussen­seiter­posi­tion zu ste­hen, sondern sich in unterschiedlichem Ausmaß mit dem NS-Staat arrangiert zu haben. Manfres Messerschmidt spricht von einer „Teilidentität der Interessen“.

Grundmann ‘benötigt’ einen Domagk, der völlig ‘gereinigt’ erscheint. Es ist für ihn unvorstellbar, dass dieser Forscher sich vom NS-System vereinnahmen ließ und er davon profitierte – wie nicht wenige „deutsche Patrioten“. Dass der Nationalsozia­lismus angewiesen war, seine Kriege nur führen und seine Vernichtung nur entfal­ten konnte, wenn es ihm gelang, Forscher wie Domagk zu gewinnen. Dafür ist Grundmann völlig blind. In dem falschen Bemühen und Glauben, nur ein vom NS-System unbe­einträchtigter Forscher könne angemessen geehrt werden, über­/geht Grundmann alle Hinweise, die Domagk selbst gibt, und übersieht die Quel­len, die anders re­den.  So spiegelt Grundmann etwas von Domagk wider, das be­sonders beim Lesen der Erinnerungen aus den 1960er Jahren erlebbar wird: Das Ausmaß der Ver­leugnung, der mangelnden Selbstreflexion und des fehlenden Mit­gefühls mit den Opfern. Alles keine Kategorien, mit denen die wissenschaftliche Leistung eines Forschers wie Domagk beurteilt werden könnte. Und doch bleibt ein trauriger Nachklang, wie sehr Domagk und sein Biograph verstrickt sind.

III.

Nur ein einziges Mal erwähnt der berühmte Mathematiker und Professorenkollege Heinrich Behnke[25] (1898-1979) in Münster in seinen Ende der 1970er Jahre ge­schriebenen Erinnerungen Gerhard Domagk, den „Nobelpreisträger und Ritter des Ordens pour le mérit“. Er schildert eine ‘verpaßte’ Begegnung: Als er bei einem Sitzungstag eine Pause eingelegt habe und auf den Korridor getreten sei, habe ihn Domagk aufgefordert, ihn – Domagk – zum Bahnhof zu begleiten, was er aber dankend abge­lehnt habe, da er den weiteren Verlauf der Sitzung habe verfolgen wollen. Er fährt in seiner Schilderung fort: „Dann habe ich ihn nicht wieder gese­hen. Er starb kurz darauf. Mich hat dann der Gedanke bedrückt, daß er noch ein ernsthaftes Anliegen gehabt haben konnte. Wir kannten uns aus den Anfängen meiner Zeit in Münster. Sein früherer Chef Groß, der 1933 Selbstmord begangen hatte, hatte demselben Abendkreis angehört wie ich.“[26] Behnke muss in seiner Schilderung dieses Erlebnisses Wesentliches ausgelassen haben.

Dass Behnke allein dieses Ereignis  von 1963/64 in seinen Erinnerungen an Do­magk für Wert festgehalten zu werden erachtet, erstaunt. Doch die Spuren, die er legt, lassen seine affektive Beteiligung vermuten. Seine Anfangszeit in Müns­ter wird lebendig. Er war 1927 auf ein Ordinariat für Mathematik berufen worden. Im gleichen Jahr war zuvor seine Frau nach der Geburt des Sohnes gestorben. Er zeigt auf Gross, den Direktor des pathologischen Institutes, der Domagk von Greifswald nach Münster 1925 ‘mitgenommen’ und zu seinem Oberassisten­ten ge­macht hatte. Thema in dem „Abendkreis“ dürfte auch der ‘Suicid’ von Domagks Lehrer gewesen sein, den zwei Nazi-Aktivisten  – zugleich seine eige­nen Assis­tenten – in den ‘Suicid’ Herbst 1933 getrieben haben – jedenfalls war die­ser ‘Sui­cid’ eines bekannten Professors in der Stadt in aller Munde.[27] Auch bei Do­magk, der 6 Jahre zuvor zur I.G. Farben – Elberfeld als Abteilungsleiter gewech­selt war und weiterhin seine wöchentlichen Lehraufgaben an der Universität wahr­nahm,  muss dieses Ereignis eine tiefe Erschütterung hinterlassen haben. Er war seinem Lehrer „eng verbunden“ gewesen: Er nahm sich der Frau von Walter Gross und er Kinder an – so sein Biograf.[28]  Den 3. Assistenten am pathologischen Instut, Christi­an Hack­mann, der sich nicht an der weiteren, infamen Hetzkampagne be­teiligt und sich von den Naziaktivisten di­stanziert hatte, stellt Domagk 1934 in seiner Ab­teilung in Elberfeld ein – er wird von 1960–1963 mit der kommissari­schen Lei­tung des  Institutes für Experimentel­le Patholo­gie be­traut und damit sein Nachfolger.[29]

Unmittelbar bevor Behnke in seinen „Semesterberichten“ Domagk erwähnt, erin­nert er sich an Walter Kikuth (1896–1968), den Abteilungsleiterkollegen von Do­magk, von 1929 bis 1949 in Wuppertal-Elberfeld, “ein sehr erfolgreicher Tropen­hygieniker“,  den er gut gekannt habe.[30] Kikuth war als angesehener Wissenschaft­ler der I.G. Farben eingebunden in die Planung der Fleckfiberforschung in War­schau 1940, Teilneh­mer der Krynica-Konferenz Okt. 1941 und einer Besprechung in Arnsdorf Juli 1942 zur Vorbereitung von Menschenversuchen mit einem Anti­lariawirkstoff. Von Domagk wird er 1952 für den Nobel­preis (mit den Bayer-Chemikern Mietzsch und Mauß) vorges­chlagen; er steht mit seinen Kontakten zum Hamburger Tropen- und zum Robert-Koch-Insti­tut, seinen For­schungen über Malaria und Fleckfieber, beteiligt an den Aktivitäten der IG Pharma-Sparte, die Verwicklung deutscher Ärz­te in Men­schenversuche.[31] [32]

 

Domagk, der Nobelpreis und das NS-System

I

Es läßt sich heute kaum ermessen, wie und auf welchem Hintergrund die Reaktio­nen Hitlers auf die Bekanntgabe der Nobelpreisehrung für Medi­zin an Domagk Ende Okt. 1939 und der für Chemie an Kuhn und Butenandt zwei Wochen später zu sehen sind, die noch im Vorfeld abzuwenden versucht wird. Die offizielle Ver­leihung des Friedensnobelpreises an Carl v. Ossietzky im Nov. 1936 trotz aussen­polischen Druckes auf Norwegen durch Deutschland hatte Hit­ler als zutiefst be­schämende Niederlage erlebt, auch weil er sich zuvor internationa­len Protesten beugen musste. Besonders unangenehm für ihn war, dass sich deut­sche, berühmte Exilanten zu einer Pressekampagne zusammenfanden. In der Folge verbietet er den Deutschen „für alle Zukunft“, einen Nobelpreis anzuneh­men.[33] Ossietzky, der bereits Anfang 1933 nach dem Reichstagsbrand als vehe­menter Gegner des NS-Sstems ver­haftet wird, einer der prominentesten KZ-Häftlinge ist und zu den den Nazis verhasstesten gehört, wird kurz vor den Olympi­schen Spielen 1936 schwer­krank entlassen. Göring versucht ihn vergeblich von der Nobelpreisannah­me ab­zuhalten. Im Mai 1938 stirbt er an den Folgen von Miss­handlungen in der Lager­haft.

Hier wird eine von der bis jetzt gängigen Sichtweise abweichende Version vorge­stellt, wie es zur Ablehnung des Nobelpreises durch Domagk kommt. Gestützt wird diese Version dadurch, dass der „Fall“ Domagk bereits abgeschlossen ist und erst durch die Bekanntgabe zweier weiterer deutscher Nobelpreisträger wieder auflebt und zusammen mit diesen nun auf höchster Ebene beschieden wird. Die zeitliche Abfolge der Ereignisse von Ende Okt. bis Ende Nov. 1939 bestätigt diese Argumentation.

Zentral für die Beurteilung von Domagks Haltung zum Nationalsozialismus ist  seine Verhaftung (die Nazis nennen es „Ehrenhaft“[34]) am 17.11.1939, drei Wo­chen nach der Bekanntgabe am 26.10. von Domagk als Nobelpreisträger geworden.  Allein die Tatsache der Verhaftung durch die Gestapo und die Stilisierung seiner Haft als fast einwöchige Gestapohaft (Anm. 85) machen lange Zeit kritisches Nachfra­gen über­flüssig. Als Begründung für die Verhaftung wird gemeinhin ange­führt, Domagk habe „zu höflich nach Schweden [dem Rektor des Karolinischen Institu­tes in Stockholm, D.S.] geantwortet“. Tatsächlich bedankt er sich  in einem Brief vom 3.11. für die Ehrung, aber zugleich weist er auf das Verbot hin und bit­tet um Zeit, um sich „die genauen Unterlagen des Gesetzes“ zu besorgen. (Er hofft wohl, dass ein Unterschied zwischen einem Friedensnobelpreis und einem Medi­zinnobelpreis gemacht wird.) Dass er wie vorgesehen Anfang Dezember nach Stockholm  kommen könne, könne er noch nicht angeben, betont er weiterhin. Zu­vor macht er Ende Okt. sowohl dem Reichs­erziehungsministerium (REM), dem Rektor Mevius[35], der Medizinischen Fakultät wie auch seinen Vorgesetzten bei Bayer AG Mitteilung von seiner Nobelpreisehr­ung, vor allem er­bittet er Verhal­tensregeln wegen des Verbotes – auf die er ver­geblich bis zum 20.11. wartet.[36]

Am 7. Nov. informiert das Auswärtige Amt (AA) in einem Schnellbrief die  Reichskanzlei, das REM und das Propagandaministerium, dass Domagk „von sich aus mit dem Nobel-Komitee nicht in Verbindung tritt, sondern dass dem Gelehrten nahegelegt wird“, dies der Deutschen Gesandtschaft in Stockholm zu überlassen. „Falls ich bis zum 8.d.M. keine gegenteilige Mitteilung erhalte“, so endet der Brief, „nehme ich das dortige Einverständnis …  an“.  Die Reichskanzlei meldet keinen Widerspruch. Dass jedoch ein entsprechender Brief des AA am 9.11., dem Tag der Bekanntgabe der beiden Chemie-Nobelpreisträger, oder später an Do­magk verschickt wird, ist nicht verzeichnet.

Domagk, in der Ungewissheit, wie er sich verhalten solle, wendet sich am 8. Nov. direkt an Hitler. Er sucht indirekt die Annahme des Nobelpreises zu erreichen, in­dem er bittet, sein Preisgeld spenden zu dür­fen, aber auch einer anderen „Rege­lung“ werde er nicht im Wege stehen. Aller­dings er­wähnt er hierbei nicht seine Antwort  nach Stockholm.[37] Das Schreiben des AA vom 7.11. zusammen mit Do­magks Brief an Hitler vom 8.11. veranlaßt die Reichskanzlei am 13.11. zu ei­nem Schrei­ben an das AA, in dem angenommen wird, dass „die Angele­genheit  be­reits erle­digt ist“.[38]

Die Bekanntgabe der Nobelpreisträger für Chemie am 9.11. (für die Jahre 1938 und 1939) an die beiden Leiter der Kai­ser-Wilhelm-Institute, Kuhn und Butenandt neben dem Schweizer Ružička bringt die Thematik erneut zur Ent­scheidung.

Das Schreiben Domagks vom 8.11. an Hitler erreicht das AA frühestens am 14.11. über die Reichskanzlei. Zusammen mit der Bekanntgabe der zwei weiteren deut­schen Preisträger am 9.11. wird der Brief an Domagk, der eigentlich in den Tagen nach dem 8.11. hätte aus dem AA herausgehen müssen, wohl storniert. Stattdessen beauftragt das AA (im Auftrag von v. Ribbentrop) den deutschen Gesandten in Stockholm in einem Telegramm kurz nach Mitternacht des 16.11. vorsichtig zu sondieren, ob es möglich sei, dass die drei (!) Geehrten „den Preis zwar formell annehmen, ihn dann aber schwedischen Nationalsozialisten zur Verfügung stellen“. Das wäre eine Variation des Domagkschen Spendenverschlags; am 14./15.11. kommt der Brief Domagks an Hitler im AA an, gesendet von der Reichskanzlei. Die im Gegensatz zu den tatsächlichen Schreiben an das AA noch vorhandenen Konzepte der Deut­schen Gesandschaft in Stockholm vom 31.10., 13. und 15.11. sind in ihrem Tenor durchaus offen und haben vielleicht dazu beigetra­gen, die Initiative im Auftrag Ribbentrops zu starten.[39]

„Offenbar bestand die Absicht, Hitler über eine  Ausnah­meregelung entscheiden zu lassen.“ Hörlein, Domagks Vorgesetzter bei Bayer und Senator der Kaiser-Wil­helm-Gesellschaft schreibt am 15.11. an Kuhn, er hoffe, dass sich ein Weg finde, der trotz des Verbotes die Preisannahme ermög­liche – zwei Tage vor Domagks Verhaftung. Hingegen schreibt Butenandt an seine Eltern, ihm sei am 16.11. zuge­tragen worden, dass die Regierung die Nobelpreisvergabe als eine „unverschämte Herausforderung Deutschlands“ betrachte.[40]

Butenandt und Kuhn werden am 17. bzw. 18. 11. angewiesen, noch „keine Zusa­gen“ nach Stockholm zu geben, weil die Nobelpreisannahme “der allerhöchsten Ent­scheidung“ unterliege, die bald falle. Hierüber hat das Reichsministerium für Wis­senschaft, Erziehung und Volksbil­dung (REM) am 17.11. die Geschätsleitung der KWG informiert. Eine gleichlautende Mitteilung erreicht am  18.11. das Rek­torat der Universität Münster, das in einem Schreiben Domagk davon unterrichtet. Diesen Brief, der am 20.11. ankommt, liefert Frau Domagk sofort in der Gestapo-Außenstelle Wuppertal ab.

Es lässt sich rekonstruieren – leider sind keine Unterlagen hierzu auffindbar – , dass die Entscheidung sehr schnell am Abend des 17.11. gefal­len ist. Domagk wird um 22.15 Uhr verhaftet. An die Gesandtschaft in Stockholm ergeht um 2.40 Uhr des 18.11. ein Telegramm. Der Gesandte wird von v. Ribbentrop gebeten, den schwedischen  Aussenminister sofort aufzusuchen und ihm ein Aide-Memoire zu übergeben, in dem die Nobelpreisverleihung an die 3 Deutschen  als „unfreundli­che Handlung“ Schwedens bezeichnet wird. „Nach Auffassung der Deutschen Re­gierung stellt unter den gegebenen Umständen die Verleihung des Nobelpreises an drei deutsche Gelehrte, den Versuch dar,  Deut­sche gegen einen Befehl ihres Füh­rers und damit zum Verrat ihres Deutschtums zu verleiten“. Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, wird der Gesandte zur Be­richterstattung nach Berlin zu­rückgerufen.

In Domagks Entnazifizierungsakten und in seinem Vernehmungsprotokoll vom 18.11.1939 findet sich ein Hinweis, dass er in einem Te­lefonat des AAs aufgefor­dert wird, „Abschriften meiner nach Schweden gesand­ten Dankschreiben … um­gehend einzureichen“ . In dem nur noch vorhandenen Eingangsjournal wird ein einziges Schreiben von Domagk, das vom 14.11. an das AA mit dem „Betreff: No­belpreis“ aufgeführt, dem sich nun zeitlich der Anruf zuord­nen läßt.

Am 22.11. – Domagk wird am 21.11. aus der Haft entlassen – teilt der Chef der Sicherheitspolizei und des SD Heydrich dem AA mit, wohl eine offizielle Sprach­regelung, Domagk sei auf Anordnung des Führers festgenommen und entlassen worden, „weil er durch sein illoyales Verhalten die Interessen des Deutschen Rei­ches nicht in der erforderlichen Form gewahrt“ habe. „Er wurde darauf hingewie­sen, dass seine grossen wissenschaftli­chen Leistungen vielmehr im In- als im Aus­land anerkannt werden, dass er jedoch die nötige politische Zurückhaltung nach der Verleihung des Nobelpreises habe vermissen lassen“. Wohl eine nachgescho­bene Erklärung, um die affektgesteuerte Anordnung Hitlers zu kaschieren.[41]

Gerade zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und so schnell nach Ossietzkys Tod ist  bei Hitler keine „Ausnahmeregelung“ zu erwarten. Domagk gibt am Ende der Ausführungen zu seiner Verhaftung in der Entnazifizierungsakte eine Erklä­rung für seine Verhaftung. Er erwähnt einen „Prof. Wirtz“, „der ein großes Ansehen in der Partei genoß“. Dieser habe ihm während des Krieges berichtet, dass Hitler – „äußerst erregt“ über die Preis­verleihung – seine ärztliche Entourage nach Do­magk gefragt habe. Dieser sei ihnen je­doch unbekannt gewesen, worauf Hitler we­gen „verbotene(r) internationale(r) Bezie­hungen“ seine Verhaftung angeordnet habe.[42] Domagk berichtet dieses Gespräch mit Wir(t)z, so scheint es, weniger um die Umstände der Verhaftung zu erhellen, sondern um zu versichern, dass er mehrmals das An­gebot des einflussreichen Nazi abgehnt habe, das ihm „geschehe­ne Unrecht wie­der gutzumachen.“

Diese Angaben sind stimmig mit einem Schreiben des AA vom 8.12. an die Reichskanzlei. „…, weil die weitere Behandlung der Angelegenheit weitgehend vom Führer und Reichskanzler selbst übernommen worden war“, beginnt der Brief und endet lapidar: „Die drei Professoren sind dieser Weisung [Verweigerung der Nobelpreisannahme mit dem Ausdruck des Befremdens, D.S.] nachgekom­men.[43]

Gemeinhin wird als Grund für die Verhaftung angeführt, er habe sich zu freund­lich für die Nobelpreisverleihung bedankt. Das „illoyale“ Verhalten, das ihm vor­geworfen wird, scheint als Begründung die spontane, aus einem heftigen Affekt entstandene Aktion Hitlers zu verdecken. So konnte sich der „freundliche Dank“, der auch unter IlIoyalität subsumiert wird, als Begründung durchsetzen. Die Wirz in den Mund gelegte Aussage, niemand von den Ärzten in Hitlers Umgebung habe Domagk gekannt, ist nicht unplausibel. Butenandt und Kuhn – um diese ging es auch – waren als Direktoren berühmter Kaiser-Wilhelm-Institute weitaus bekann­ter als der Forscher Domagk, angestellt bei I.G. Farben. Diese Aussage Wirz’ ver­letzt  Domagks Eitelkeit: Ein Grund mehr, sich den ‘zu freundlichen Dank’ als Be­gründung zu eigen zu machen.[44]

In Domagks Universitäts-Personalakte findet sich von der Verhaftung am 17. Nov. keine Überlieferung. Nur von einem Gespräch des Rektors mit dem Chef des Am­tes Wissenschaft im REM in Ber­lin gibt es eine Aktennotiz, nachdem Domagk am 23.11. einen vorgefertigten Brief hatte unterschreiben müssen, in dem er den No­belpreis zurückweist:

12.12.1939

Aktennotiz über Berliner Reise (8.-11.12.1939)[des Rektors, D.S.]

Besprechung mit Prof. Menzel. „In Sonderheit habe ich die Angelegenheit des Prof. Domagk besprochen. Die Lage ist so, dass z.Zt. aus aussenpolitischen Grün­den nichts unter­nommen werden kann, um Prof. Domagk herauszustellen. Prof. Menzel will aber, sobald die Möglichkeit dazu besteht, sich für Prof. D. einsetzen, damit ihm eine Entschädigung zuteil wird. Er ist der Ansicht, dass jetzt die Freun­de des Prof. D. diesem zu verstehen ge­ben müssen, dass er auf seine Stunde noch

warten muss, dass diese aber bestimmt kom­men würde.“[45]

Das liest sich so, als sei Domagk Opfer außenpolitischer Verwicklungen geworden und weniger wegen seines Briefes nach Stockholm festgenommen worden. Man werde sich, wenn es die Umstände zulassen, für seine angemessene Ehrung einset­zen: Verfasser des Eintrags ist der „aktive(r) Nationalsozialist“, Rektor Mevius.[46] Sein Gesprächspartner ist „Prof. Men(t)zel“, Angehöriger der „Alten Garde“, Prä­sident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, späterer SS-Brigadeführer.[47]

„Aus dem Ministerium in Berlin (Prof. Mentzel) wurde mir versichert“, kommen­tiert Domagk in seinen Erinnerungen das Verbot der Nobelpreisannahme, „dass man mir ein Äquivalent für den Verzicht auf den Nobelpreis geben wolle. Man habe erwogen, die I.G. zu veranlassen, die Summe des Nobelpeises [sic] zu erstat­ten, einen Prof. honoris causa usw.“.[48]

II.

Für Domagk muss seine Verhaftung durch die Gestapo psychisch ein Geschehen in Gang setzen, das sofort Verbindung herstellt zu den dramatischen Erlebnissen  um seinem Lehrer Walter Gross, der sich vor 6 Jahren den beiden Nazi-Aktivisten hilflos ausgeliefert gefühlt hatte und sich nur noch umzubringen wusste. Domagk wird daran gedacht haben, dass er überzeugt gewesen sei, dass ihm das nie zusto­ßen werde und so auch dementsprechend sein Leben eingerichtet habe.[49] Im April 1935 hatte er auf Anfrage des Kurators der WWU  Münster, wie er sich seine Universitätslaufbahn  vorstelle, dem damaligen Ausdrucksweise entsprechend u.a. mit der Versicherung „.. Wo kann ich meinem Volk als Arzt und als Forscher am besten dienen?…“ geantwortet und mit „Heil Hitler“ geendet. So wird er problem­los im Sept. 1939 durch den REM zum beamteten apl. Professor ernannt.

Wie sollte er auch? Noch im Februar 1938 spricht er mit Anderen (u.a. Walter Ki­kuth und dem nationalsozialistischen Pathologieordinarius in Münster und spä­terem Professor der „NS-Kampfuniversität Straßburg“ Friedrich Klinge) vor der Ärztlichen Gesellschaft in Prag. Im Anschluß daran ist er in Aussig (ČSR). Er be­ginnt seinen Vortrag im Ärzteverein mit dem „deutschen Gruß“. Über die Wir­kung seines Vortrages ist er sich im Klaren: Er wirkt „als willkommene Pro­pa­gan­da für das hier schwer ringende Deutschtum“.

Kurz vorher hält er einen Vortrag zur Gründung der Militärärztlichen Gesellschaft Münster. Noch 25 Jahre nach diesem Ereignis ‘vervollständigt’ er seinen Bericht darüber mit  einer handschriftlichen Bemerkung: „Ich saß zwischen dem General­arzt und dem späteren Feldmarschall Kluge.“ Rückbli­ckend – und aus heutiger Sicht erschreckend undiffe­renziert – erwähnt er in sei­nen späten Erinnerungen die  Zeit des Münchner Abkom­mens, wie „Fran­zö­si­sche(n) Frontkämpfer(n)“, die sich für den ‘Frieden’ ausspre­chen, gleich­zeitig er­klä­ren: „… sie [die Frontkämpfer, D.S.] erkennen die (jüdischen) [durch­gestrichen von Do­magk bei der Korrektur, D.S.] Treibereien zum Kriege“. Er unterläßt es, seine damalige Sichtweise zu kommentieren und legt nahe, dass er sie weiterhin vertre­te. Als militanter Gegner von Versailles gibt er sich (noch nach 1960) zu erken­nen: „Wenige Tage vorher [vor Ostern 1939, D.S.] fuhr ich von Bu­dapest nach Köln und nichts war zu merken von den Vorbereitungen zu dem genia­len, in weni­gen Stunden abgelaufenen Handstreich [Einmarsch der Wehr­macht in die “Rest-T­schechei“, D.S.], ohne Blutvergießen.“ Den Einmarsch selbst begründet er: „Der tschechoslowakische Rest-Staat begann zu wanken ohne die Bindungen an das Großdeutsche Reich durch Bahnen, Kanäle, Straßen – und durch die stets beherr­schende Kultur; er war allein nicht lebensreif. Die Tschechen forderten selbst den Einmarsch deutscher Truppen. So zog Hiter mit seinen Trup­pen auf der Prager Burg ein“. Und kurz zuvor, als er sich Gedanken macht um das Verhältnis Eng­lands zu Deutschland: „Wir haben uns in Deutschland ehr­lich be­müht, neu aufzu­bauen [sic]. (Was hat eine ((geniale Führung)) [mehrfach durch­gestrichen, kaum leserlich, D.S.] aus dem zerrissenen Deutschland gemacht!) Mißgönnt man uns auch diese Entwicklung?“ Wer diese Seiten liest, kann nachvollziehen, dass Do­magk rückblickend und wohl auch tatsächlich bis zum Jahr 1943 jedes kritische Wort zur verbrecherischen, deutschen  Expansions­politik vermissen läßt.  Und ge­danklich beteiligt er sich an diesem Kampf: „Was haben wir England getan? … Was wir tun werden, wenn man uns wiederum die Früchte unserer Arbeit rauben will? Darüber dürfte auch in England kaum ein Zweifel sein. Dann werden wir im Herbst [1939, D.S.] zur 25. Wiederkehr der Flandernkämpfe und zum Gedenken der alten Kameraden nicht mehr nach Flan­dern fahren …………“ Für den Sommer 1939 notiert er: „Danzig und die wider­rechtlich durch Versailles an Polen abgtrennten Gebiete wollen zum Reich zurück. England, Frankreich und andere Interessenten an der Aufrechterhaltung dieses Restes eines unnatürlichen Gewalt­friedens wollen dies verhindern … Eine kurze Entspannung! Der Frieden scheint noch einmal gesichert (durch eine ((geniale Tat)) [letzte zwei Wörter schwer les­bar; Domagk meint den Hitler-Stalin-Nichtan­griffspakt, D.S.]“. Bei der Frage der Genialität, ganz (Neo)romantiker, ver­steigt er sich: „… Genialität ist die Fähigkeit, sich anschauend zu verhalten, sich in der An­schauung zu verlieren, so nach [sic] sich seiner Persönlichkeit auf eine Zeit völlig zu entäußern, (um als rein erkennen­des Subjekt, klares Weltauge übrig zu bleiben) [durchgestrichen, D.S]. Das ist die Genialität des Künstlers, des Wissen­schaftlers, die des Führers [verändert zu: ei­ner Nobilitas, D.S.] ist dazu, mit güti­ger Hand dies Geschaute zur Tat werden zu lassen, zum Nutzen für sein Volk. Es soll der König mit dem Künstler gehen“. – “Wenn nur einmal wahre Menschlich­keit zum Beweggrund al­len Handelns auf Er­den würde“, notiert er Anfang 1960 über diese Zeit – eine ab­strakte Aussage, die keine erkennbaren Konsequenzen nach sich zieht. Die zu Zei­ten der „gelben Ge­fahr“ geschriebenen Reflexionen in seinen Er­innerungen über die Zeit des Kriegs­beginns lassen einen ernüchtert zu­rück.[50]

Und nun erlebe er mit seiner Verhaftung eine ähnliche Situation – wie damals sein Lehrer Gross mit den beiden ihn 1933 diffamierenden Naziaktivisten –, den „be­waffneten Schupos“ gegen­überstehend, rechtlos, sich unschuldig und in fremder Hand fühlend und im Un­klaren gelassen, erniedrigt, in Angst um sich und die Fa­milie, so mag er gedacht ha­ben. So ganz anders als einem ge­schätzten Nobelpreis­träger, als einem geachteten Wis­senschaftler gebühre, jetzt wo seine große Leis­tung anerkannt werde. Sollte alles nichts mehr wert sein? Wie könne eine Dankesa­ntwort, ein freundlicher Brief so unrecht sein, das Solches rechtfertige? Nüch­tern und mehr als 20 Jahre später erinnert er sich: „Der Zusammenbruch meiner bisher auf Idealen beruhenden Lebensauffas­sung war nur schwer zu über­winden.“[51] Mag sein, dass diese beiden Ereignisse Domagks (spätere?) Integration in das NS-System befördern, wenngleich er sich einen Abstand zum Nationalso­zialismus im Vergleich zu seinen Kollegen zu be­wahren weiß. „Seit dieser Verhaf­tung wußte ich, daß ich auf Schritt und Tritt be­obachtet wurde und jeder erneut auftauchende Verdacht gegen mich mir und mei­ner Familie zum Verderben gerei­chen würde. Eine Rehabilitation für das Gesche­hene erfolgte nicht.“[52] All das schreibt er Ende 1945. Nach der traumatischen Erfah­rung der Verhaftung 1939 war die­ses Gefühl möglicherweise ein ständiger Beglei­ter: Domagk will nach dem Krieg als Opfer gesehen werden – jedenfalls zeigt er sich so in den Entnazifizie­rungsun­terlagen, die sich jetzt um deutlichen, auch äußerlichen Abstand zum NS-System bemühen.

Domagk beschreibt in seinem Bericht über die Nobelpreisverleihung in den Ent­nazifizierungsakten einen Kommissar, der im Gefängnis „sehr freundlich“ zu ihm gewesen sei, ihm  nach ein oder zwei Tagen „ein Zimmer mit Couch anbot“ , „den Unsinn der Verhaftung wohl durchschaute“ und den Besuch seiner Frau ge­stattet. Diesem Kommissar, dem Dienstellenleiter der Gestapo Außenstelle Wuppertal stellt Domagk nach dem Krieg ein Entlastungszeugnis aus: Er habe ihn in die Ob­hut der Gestapo aus den Händen des SD überführt. Was Domagk vermutlich nicht wusste, dieser Kommissar gehörte sowohl zur Gestapo, zur SS und zum SD.  Doch auch sonst läßt der vernehmende Beamte, ein Oberregierungsrat und SS-Obersturm­bannführer aus Düsseldorf schon am 18.11. nach Domags Vernehmung durchbli­cken, dass er wenig von der ‘Berechtigung’ der Verhaftung hält: Er sendet seinen Bericht nach Berlin und bittet um Weisung, ob Domagk entlassen werden kann.[53]

Es sollte sehr bald die Prophezeiung des hohen Ministerialbeamten Rudolf Ment­zel eintreffen, dass Domagks “Stunde“ kommen werde: Er wird  im fa­schistischen Ausland in den Jahren 1940/41 vielfach geehrt werden. Sicherlich vermisst er die Ehrungen im überseeischen Ausland – allein für 1949 zählt Grund­mann 10 Ehrun­gen in Südamerika auf, als erste nordamerikaische Ehrung ei­ner ärztlichen Gesell­schaft wird dagegen das Jahr 1956 angegeben.[54]

Doch auch im Inland ist wenig von einer Ächtung zu spüren. So ist er im Januar 1940 anläßlich einer Veranstaltung der Berliner Medizinischen Gesellschaft unter dem Thema „Die chemische Behandlung infektöser Erkrankungen“ einer von den prominenten Referenten. Im Mai wird er einstimmig von dem Kuratorium der Stiftung für experimentelle Therapie gewählt, um deren Preis für die Prontosilent­deckung zu erhalten.[55] Im Juli 1940 erscheint zusammen mit Carl Hegler das zu­künftige Standardwerk über die „Chemotherapie bakterieller Infektionen“, das 1942 und 1944 Neuauflagen erfährt.[56] Vor der Militärärztlichen Akademie in Ber­lin spricht er im Oktober über die ihm so am Herzen liegende, ihn umtreibende Behandlung des Gasödems. Die kurze Notiz darüber im Völkischen Beobachter ist ihm so wichtig, dass er sie wiedergibt. Dass er Ende 1940 zu den Rednern des wissenschaftlichen Kongresses gehört, der sich anschließt  an den mit viel Pomp gefeierten Festakt zu Ehren Emil v. Behrings, ist bereits erwähnt worden (Anm. 20).[57] Wie wenig seine Verhaftung zu einer kritischen Reflexion geführt hat, illus­trieren seine zwanzig Jahre später verfassten Erinnerungen: „Am 19.7.[1940], abends, gab Hitler einen (eindrucksvollen) [durchgestrichen nach der Korrektur, D.S.] Bericht über den (grossartigen) [durchgestrichen nach der Korrektur, kaum leserlich, D.S.] Verlauf der Kämpfe im Westen; … Der Appell Hitlers an die Eng­länder scheint ungehört zu verhallen …“[58] Domagk wird auf seiner Spanienreise 1940 als Vertreter des „heroischen Vaterlandes, dem Großdeutschland  Adolf  Hit­lers“ gesehen, „jenes Deutschlands, das in schwierigen Tagen unseres Vaterlandes ohne Zaudern die Freundeshand reichte und uns mit seinem Kampfgeist und die [sic] tiefempfundene Sympathie für unsere gerechte Sache ermutigend und tat­kräftig zur Seite stand.“[59]

1941 erscheint in der Personalakte der Universität folgende Einschätzung von Do­magks Person, die die parteiinterne Sicht wiedergibt:

Bl. 88: Düsseldorf 26.4.1941

(Abschrift) NSDAP Gauleitung Düsseldorf (gez. Eckl, Gauhauptstellenleiter), an die Gauleitung der NSDAP Westfalen-Nord, Münster, Bismarck-Allee 5

„Aufgrund einer telefonischen Anfrage des Parteigenossen Hauptamtsleiter Friedrich in Berlin haben wir für den Führer, der Prof. Dr. Gerhard Domagkh (sic) für eine bedeutende Erfindung geehrt hat [ob Irrtum oder Tatsache, liess sich nicht klären, D.S] , folgende Auskunft gegeben:

‚Prof. Domagkh (sic) ist kein Parteigenosse; politisch ist Nachteiliges nicht be­kannt. Er war Freiwilliger im Kriege 1914/18, ein immer national gesinnter Mann, der einge­fleischter kerniger Schlesier ist. D. ist Professor an der Universi­tät Münster. Er betätigt sich ausschließlich nur als Wissenschaftler.’“

Schon die Einschätzung, die der SS-Standartenführer der SD-Außenstelle Wup­pertal während der Haft – am 18.11.1939 – über ihn äußert, lautet ähnlich: „… Do­magk … , der stets national eingestellt war und heute voll auf dem Boden des Na­tionalsozialismus stehe …“[60]

Wie wenig die Festahme durch die Gestapo im Nov. 1939 der weiteren Karriere Domags im „Dritten Reich“ hinderlich ist, zeigt eine Bemerkung in seinen Le­benserinnerungen. Er erwähnt beiläufig einen Vortrag, den er in Münster gehalten habe zum 30.1.1941, „zur Feier des 18. und 30. Januar, der Gründungstage des 2. und 3. Reiches“:  Er hat sich zumindest bereitwillig im Nationalsozialismus in­strumentalisieren lassen.  So gehört er zu den zuverlässigen Volksgenossen und Wissenschaftlern, die in das Privileg von Auslandsreisen kommen.[61]

Domagk ist nach 1939 und 1940[62] im Mai 1941 zum dritten Mal nach Rom eingel­aden, diesmal vom In­nenministerium. In seinen Erinnerungen genießt er die Emp­fänge, Vor­träge und Einladungen und fühlt sich sichtlich geehrt, zumindest rück­blickend be­trachtet – über 7 Seiten nimmt diese Reise Raum ein. Er erwähnt einen „Prof. Hoppenstedt“, mit dem er sich noch  in tiefer Nacht „angeregt unter­halten“ habe. Hoppenstedt, Direktor der Abteilung für Kulturwissenschaften des KWI in Rom, „Blutor­densträger“, „Salon-Nazi“ und Kulturpropagandist, stellt die Verbin­dung der NSDAP zum faschistischen Italien her. Domagks Vortrag in seiner Ab­teilung gehört zu deren wissenschaftspolitischem Kulturprogramm. (Otto Hahn und Max Planck  waren zu anderer Zeit ebenfalls als prominente Redner in diesem Programm aufgetreten.) Zum Abschluss arrangiert Hoppenstedt unter seiner „sachkundigen Führung“ einen Rundgang durch Rom und lädt nach Hause ein.[63]

In seinen Erinnerungen notiert er für Mitte Juni 1941, sich Gedanken zu den Luft­angriffen der Alliierten machend: „… Einmal muss dieser Wahnsinn doch wie­der ein Ende nehmen und nach Besinnung der Menschen auf die letzten gültigen Werte des Lebens doch wieder neues leben sprießen. Die allgütige große Natur läßt es doch immer wieder Frühling werden trotz aller Torheiten  der Menschen. Aus aller Not und Bedrängnis wird, so hoffen wir, ein neuer deutscher Frühling erwachen. Wofür kämpfen wir?  Um nichts anderes als unser Lebensrecht, um die Sicherstellung unserer Ernährung, die im Überfluss auf der Welt vorhanden ist und deren gerechte Verteilung Toren verhindern wollen. …“[64]

Wie eingebunden Domagk in das NS-System ist und dieses auch genießt, zeigt die ausführliche, fast 6 Seiten umfassende Erinnerung an eine weitere Italienreise Pfingsten 1942: „… Die Marsilius-Feier [in Padua, D.S.] ist ein rauschendes Fest zur Verherrlichung des Geistes, an der der deutsche Gesandte  [und SS-Gruppen­führer, D.S.] von Mackensen, den wir vorher im Hotel begrüssten, teilnimmt, fer­ner die Botschafter von Finnland, Bulgarien, Rumänien und zahlreiche Vertreter von Staat und Partei. …[65]

Domagk ist inzwischen ein gefragter Redner. Dies demonstriert eine Einladung des „NSD.-Dozentenbund Hannover in der Tierärzt­li­chen Hochschule“„Am 26.6. 1942 schon wieder Vortrag beim …“, erinnert er sich. Eingeladen hat ihn Richard Götze, Professor und  Leiter des „Amt für Wissenschaft“, der kameradschaftlichen Umgang mit dem „Reichstierärzteführer“ und Duzfreund Hitlers Friedrich We­ber +pflegt, der sich für Götze einsetzen wird.

Er erinnert sich an eine Zugfahrt von Köln nach Brüssel – selbst in Uniform –  im „Juli“ [richtig: „Juni“, DS] 1942. Er sieht im Zug „belgische Legionäre, Rexisten und einen französi­schen General in deutscher Uniform,“ erkennbar an der Trikolore am rechten Ober­arm. Er fragt sich: „Ein buntes Bild vom Werden eines neuen Europas?“

Für Anfang 1943 – er berichtet von betrieblichen Konflikten in Elberfeld – er­wähnt er, dass ihm gedroht werde, seine „Uk.-Stellung“ nicht zu erneuern, vergeb­lich: „… ich bin jederzeit bereit, die Uniform anzuziehen“. Er verrät  tröstende, durchaus reale Phantasien: „… Und sollte es hier auffliegen [redet er nur von briti­schen Luftangriffen? D.S.], so wird es auch an anderer Stelle möglich sein, die Ar­beiten [Tbc-Forschung, D.S.] weiterzuführen; in Schlesien wird ein neues I.G.-Werk gebaut [Werk der IG Auschwitz, D.S.]; auch in Marburg im Beh­ring-Institut [Hans Schmidt, Marburg, D.S.] wäre die Möglichkeit dazu. Außer­dem ist mir an­geboten worden, wenn ich nur zusage, in Ostpreußen ein Institut für mich vom Gau Ostpreußen zu bauen …“

Wenige Seiten danach kommentiert Domagk in denselben Erinnerungen 20 Jahre später die alliierten Luftangriffe auf Hamburg vom Sommer 1943:„… Möchte uns noch eine Hoffnung bleiben, Europa von diesen menschenunwürdi­gen Überfällen auf die Bevölkerung arbeitsamer, wehrloser Städte zu befreien, und zwar für im­mer.“  Und er fährt fort – man meint die Empörung herauszuhö­ren: „Es kann kein Zweifel bleiben, dass aus den angreifenden Flug­zeugen in der Umgebung von Hamburg sogar Schwarze eingesetzt waren, die not­landen mussten.-“[66]

Er wird im Juli 1943 Ehrensenator der Universität Greifswald[67]. Wenn man von einer militärärztlichen Tagung in Holland Ende Oktober 1943 liest, zu der er als Vortragender geladen ist, dem fällt auf, mit welcher Genugtuung, mit welchem Stolz und mit welch seltsamer Unberührtheit vom Krieg von ihr berichtet wird. Er fühlt sich – in Uniform – sichtlich geschmeichelt, dass er als „berühmter“ Mann tituliert wird, um lästigen Grenzkontrollen zu entgehen. „2 Tage sind mit Vorträ­gen ausgefüllt, an den Abenden vereint uns [Loebell, Siegmund,  Schulemann, der über Malaria spricht, und Gutzeit und viele andere Bekannte] ein erfreuliches, ka­meradschaftliches Beisammensein.“ [68]

Wenige Wochen später wird er zum Ehrenmitglied des Robert-Koch-Institutes er­nannt, beglück­wünscht hierzu von dem Oberbürgermeister und dem Regierungs­präsidenten,[69] 1944 wird er wie manche seiner Kollegen Mitglied des wissenschaftlichen Beirat des Bevollmächtigten für das Gesundheitswesens Karl Brandt[70] und noch am 30.1.1945 in einer Feier in Salzu­flen als Ehrendoktor ge­ehrt, wohin die Medizini­schen Kliniken der Universität Münster aus­gelagert wa­ren – von ihr schwei­gen seine Erinnerungen.[71] Siegmund, Rektor des „Totalen Krieges“, wollte sich im Okt. 1944 dafür einsetzen, dass die Universität zu einer „der stärksten Bollwerke der nationalsozialistischen Idee und des unerschütterli­chen Willens zum Durch­halten bis zum Letzten“ werde und handelte mit dem REM aus, dass die Kliniken ins entfernte Bad Salzuflen verlegt wurden.[72] Zusammenfassend kann man hier konstatieren: Auch ohne dezidiert Parteimitglied zu sein, konnte man im NS-Sys­tem reüsssieren.

III.

Es ist nicht zu glauben, dass Domagk, so wie er bei Grundmann und Behnisch dargestellt wird, gesehen werden kann. Domagks Ambivalenz[73], sich auf der einen Seite so viel auf das NS-System einzulassen und teilweise seine Ziele zu teilen, dass er andererseits als geschätzter Wissenschaftler leben kann, macht ihn anfällig für die Gratifikationen, die das NS-System bereithält. Domagk ist verhaftet wor­den, weil er – wenn er überhaupt daran gedacht hat – Hitlers Rachefeldzug[74] ge­gen die Nobelpreisannahme durch Deutsche unterschätzt hat. Gedanken, die ihn auf Grund der ersehnten Ehrung bewegt haben, mögen dazu beigetragen haben, die Strenge dieses Verbots zu verkennen und ihn das Antwortschreiben nach Stockholm freundlich–abwartend zu formulieren – und eben nicht schroff–ableh­nend, wenn man zusätzliche Gründe für seinen selbstverständlichen Dank anneh­men will – es war bewusst mit Sicherheit kein Akt des Aufbegehrens.  Aber mit diesem Wunsch, dass eine Preisannahme wahr werden könne, war er nicht al­leine. Hörlein, der ihn gewarnt hatte vor einer Zusage nach Stockholm – die er auch nicht gab – , ohne An­weisungen des REM abzuwarten, äußerte selbst in einer Nachricht an Kuhn noch am 15.11. die Hoff­nung, dass diese möglich werde. Dass diese Hoffnung z.T. in Ministeriumskreisen geteilt wurde, legt auch Florian Schmaltz nahe (Anm. 40). Im Gegensatz zu Domagk, der sich als Privatperson er­gebnislos an das REM wandte,[75] setzt sich für Kuhn und Butenandt der mächtige und bestens vernetzte Generalsekretär der Kaiser-Wil­helm-Gesellschaft und NSDAP-Mitglied Ernst Telschow ein. Er verhandelt mit dem AA „wegen der ‘Beantwortung bezw. Annahme dieser Eh­rung’“[76] am 13.11., nur wenige Tage nach der Bekanntgabe der beiden Nobelpreis­träger. Es lässt sich vermuten, dass diese Gespräche zusammen mit den Lagebe­richten der Gesandtschaft in Stockholm zu einer kurzfristigen und kurze Zeit wäh­renden Änderung der Einschätzung des AAs führt. Die Notiz vom 12.12. über die Un­terredung Mevius – Mentzel läßt vermuten, dass Rudolf Mentzel im REM, der „eigentliche(n) Kopf des Ministeriums“[77] ei­ner Aufwei­chung des Verbotes aufgeschlossen gegenüber sei, zumin­dest sich nicht an der „Vendetta“ beteiligen wollte, auch wenn er letztlich die vor­gefertigten Antworten Domagk, Kuhn und Butenandt vorlegt. Denn, so wird er  zitiert, er werde sich für Domagk einsetzen. Das würde auch erklären, warum die Genehmi­gungspraxis für Domagks Auslandsreisen durch das REM schon im nächsten Mo­nat positiv ausfallen konnte.

Selbst der ausgesprochen NS-loyale Butenandt[78] wollte das vorgefertigte Antwort­schreiben nicht sofort unterzeichnen und bekam deshalb 3 Tage Bedenk­zeit, bis er schließlich nach Drohungen unterschrieb.[79] Diese Episode hat seine weitere Karrier­e im Nationalsozialismus nicht beeinflusst. Sein (und auch Kuhns) Dank­schreiben an den Kollegen Hans von Euler vom 11.11. hatte wohl auch den Hin­tergedanken, dass dieser über seine guten Kontakte dazu beitragen könne, die An­nahme der Ehrung zu  ermöglichen (siehe Anm. 40).  Das Verhalten Domagks mag unbe­dacht sein, im Hochgefühl der Ehrung, naiv oder mutig, den eige­nen Rück­halt durch seine  Vorgesetzten bei Bayer falsch einschätzend[80], er lag mit sei­ner Bewertung – und das heißt in der Bewertung von Hitlers rücksichtslo­sem Ra­chefeldzug – nicht allein.  Aber dieses Geschehen eignet sich wenig dazu, Do­magks Reserviertheit den Nazis gegenüber zu stilisieren. Es läßt sich ver­muten, dass auf Domagk selbst die Verhaftung insofern Einfluß gehabt hat, als er danach sich leichter – auch wegen seiner Erfahrung mit der Gestapo – durch die vielfälti­gen in- und ausländischen Ehrungen in das NS-System einbinden ließ. So­lange – wie  die Grundmannschen Biografie – Domagk nicht in sei­ner Verbunden­heit mit der tief in das NS-System verwickelten I.G. Farben ge­zeichnet wird und im Ge­genteil fast alles dazu getan wird, um diese Verbindung nicht hervortreten zu las­sen,[81] solange muss man dar­auf gefasst sein, das Bild von Domagk korrigie­ren zu müssen.[82] Die Frage nach der objektiven Funktion dieser Biografie drängt sich hier geradezu auf.[83]

Grundmann läßt Domagk in seiner Biografie als ein dem NS-System entfernter Forscher erscheinen. Dazu dient auch die Schilderung der Nobelpreisverleihung, die ganz losgelöst und abgegrenzt von der 14 Tage später erfolgten an Kuhn und Butenandt erscheinen soll. Dass die Behandlung des Nobelpreises für Domagk durch die Behörden abgeschlossen war und ‘wiederauflebte’, als mit Kuhn und Bu­tenandt zwei weitere Deutsche  mit dem Nobelpreis geehrt werden, liest man ver­geblich. Eine kurzffristige (16./17.11) Hoffnung durch die Initiative v. Ribben­trops für  alle drei Geehrten, ausgelöst durch Telschows Bemühungen und beste­hende Zweifel im AA an einer ablehnenden Haltung, aber möglicherweise durch den Brief Domagks an Hitler, der  das AA am 14.11. erreicht, keimt auf. Es stellt sich nur die Frage, warum sich Hörlein, im Gegensatz zu Telschow, als einflußrei­cher Vorgesetzter nicht erkennbar für Domagk einsetzt. Schätzt er die Situation rea­listischer ein?  Grundmann läßt die Reaktion Hitlers auf die  Nobelpreisehrung für Domagk in der Tatsache der Verhaftung aufgehen, ohne die naheliegende Fra­ ge zu stellen, warum diese erst drei Wochen später erfolge. Der ‘zu höfliche Brief’
nach Stockholm, der wahrscheinlich Hitler gar nicht vorliegt und der als Begrün­dung selbst für SS-Stellen nicht ausreicht, muss die Version von Wirz überdecken, der die Verhaftungsaktion als spontanen Akt Hitlers kenn­zeichnet, nachdem dieser über seine Ärzte keine Information zu Domagk erhalten kann. Grundmann arbeitet an einer Spaltung: Da ist Domagk, der beamtete apl. Professor und Industrie­for­scher, der vor­schnell – und damit ins Visier der Gestapo kommend – einen zu freundlichen Dankesbrief schreibt, auf der einen Seite,  Kuhn und Buten­andt auf der anderen Seite, allein durch ihren Beamtenstatus eingeengt, gebunden an mini­sterielle Auflagen. Der Versuch, die Stellung der drei Geehrten explizit im NS-Staat zu bestimmen, unterbleibt. Durch diese Gegenüberstellung schafft er es, einen Mythos zu erhalten und zu vertiefen, der die Verhaftung als Reaktion auf eine fast widerständige Handlung Domagks erscheinen läßt, allerdings um den Preis, dass entscheidende Fakten ausgeblendet werden, damit die von Grundmann  angestrebte Sicht auf  Domagk erreicht wird.

IV.

Die ‘verfehlte’ Begegnung zwischen Domagk und Behnke 1963/64 (S. 7) reizt zu weiteren Überlegungen. Warum ‘musste’ Behnke den Wunsch Domagks nach Be­gleitung ausschlagen? Zumindest im Nachhinein – nach Domagks Tod – bedauert er seine Entscheidung. Domagk als ‘Sieger über das Wochenbettfieber’ war wohl zu nahe an der Biografie Behnkes, als dass dieser ihn so plötzlich – er schildert es so – nahekommen lassen konnte. War es ihm möglich, etwas von dem zu erah­nen, das Domagk ihm noch mitteilen wollte? War Behnke auf Grund seiner eige­nen Bedenken, wie er sich als „jüdisch Ver­sippter“ im „Dritten Reich“ verhal­ten hätte, in beson­derem Maße hierfür empfindsam? Mit der Erwähnung, in un­mittelbarer Nachbar­schaft hierzu, von Domagks Kollegen Walter Kikuth als „sehr erfolgrei­chen Tropenhyg­ieniker“ und des ‘Suicids’ von Domagks Lehrer Walter Groß rückt Behnke den Nationalsozialis­mus unübersehbar ins Blickfeld.

Domagk hatte sich dem Ordnen seiner Erinnerungen in der Zeit vor dieser Begeg­nung gewidmet. Die eher äußere Entnazifizierung, von den Deutschen weithin als aufgezwungen empfunden, noch dem Erleben des Nationalsozialismus nahe, stand am Beginn einer Entwicklung, die später die ‘Mitscher­lichs’ als Entwirklichung (Derealisierung) bezeichnen sollten. Diese Entnazifizierung ist keine tatsächliche Auseinan­dersetzung mit der ei­genen Invol­vierung in den Nationalsozialismus ge­worden, die im aufkommenden  Kalten Krieg sehr bald  unerwünscht wird. Die Entwirkli­chung lässt sich mehrfach in Domagks Entnazifi­zierungsunterlagen auf­finden. Die Ehrung z.B. mit dem „Ritterkreuz des Kriegsverdienst­kreuzes“, des­sen Verlei­hung Hitler sich prinzipiell persönlich vor­behielt, wird so erklärt, dass diese – ge­nauso wie die der Ehrenpromotionswürde am 30.1.1945 – auf Veranlas­sung der Universität erfolgt sei und damit, das will er damit sagen, unbe­fleckt und unbe­rührt vom Nationalsozialismus sei – und wenn doch nicht, dass er da­mit  nichts zu tun habe. Sein Freund Siegmund, ein fanatischer Na­tionalsozialist, hatte in der Tat als Rektor Domagk für diesen Orden dem Präsiden­ten des Reichsfor­schungsrates Her­mann Göring vorgeschlagen, den er zu allererst „Reichsmar­schall des Großdeut­schen Reiches“ tituliert. Durch diese Entwirkli­chung, die eine Tren­nung von Staat und Partei vortäuscht, kann die eige­ne Invol­vierung geleugnet werden, was zumal durch die erlittene Gestapohaft und die feh­lende Parteizugehö­rigkeit scheinbar untermauert wird. ‘Begünstigt’ wird bei Domagk – und nicht nur bei ihm – dieser Pfad der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus da­durch, dass er politisch unauffällig und „immer ein national gesinnter Mann“ – was auch immer die partei­amtliche Stelle mit dieser Beurteilung 1941 meint (S. 25) – gewesen und ge­blieben ist. Er sieht sich am Ende der NS-Zeit selbst als ei­nes ihrer Opfer. Das kann nur gelingen, indem all die gewährten Gratifikationen des NS-Systems, die ihm geschmeichelt haben und z.T. nicht erwähnt werden, un­reflektiert bleiben. So gut wie gar nicht erscheinen der nationalsozialistische Un­terdrückungs- und Vernichtungs­charakter in seinen späten Erinnerungen. Bestim­mend wird sein Kampf für die Gasödembehandlung ge­gen die orthodoxe Chirur­gie. Domagk schreibt wie die Meisten  gegen die von Außen ge­forderte Entnazifi­zierung an, in­dem er bewusst, so will es scheinen, be­lastende Tatsachen unter­schlägt. Als einen  Nachhall seiner unbe­wussten Zweifel kann man seine Re­aktion deuten, als ihn die Universität im Janu­ar 1949 um seinen „Kategorisierungsbes­cheid“ bittet: „Ich habe mich bisher um einen solchen nicht bemüht und hatte auch nicht die Absicht, das zu tun, da ich weder der Partei noch einer ih­rer Organisatio­nen angehört habe (Domagk bezeichnet sich im September 1945 als Anwärter des NSDÄB, „automatisch“ zahlend)[84] – der Kate­gorisierungsbescheid ist am 19.8.1948 ausgestellt worden. Anfang Februar 1949 wird ihm ein zweites Mal vom Entnazifizierungs-Ausschuß be­scheinigt, „den Nationalsozialismus in keiner Weise gefördert“ zu haben.[85]

In seinen Anfang der 1960er Jahre aufgezeichneten Erinnerungen hat die innere Selbst-Entnazifizierung, eine Selbst-Illusionierung, bereits stattgefunden. Domagk kann so – außer mit wenigen zu offensichtlichen Ausnahmen – über die Zeit 1939–1945 sprechen, ohne Anzeichen von Scheu, eine zu grosse Nähe zum NS-System zu offenbaren, die allerdings sich dem Leser erschließen kann – die Selbst-Entnazifizierung macht unbefangen.

Wo Behnke im Nachhinein offen ist für Domagks Anliegen, möchte Domagks Biograf Grundmann an dieser Stelle nicht innehalten. Er verschweigt nicht nur  die Verleihung des „Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes“, die Domagk kurz nach dem Krieg unangenehm gewesen sein dürfte und deren Sichtbarwerden mehr als ein halbes Jahrhundert danach zum Überdenken hätte anregen müssen. Hinge­gen nutzt er die Verfäl­schung der Biografie zu einer Überhöhung Domagks (S. 3), die nicht stimmt und auch nicht notwendig gewesen wäre. Er tut ihm damit keinen Gefallen – er be­wirkt genau das, was er eigentlich verhindern will…[86]

V.

Als Domagk 1945 in seinem Bericht über die Verleihung des Nobelpreises er­wähnt, er habe mehrfach das Angebot des einflussreichen Nationalsozialisten Wir(t)z abgelehnt, sich für ihn einzusetzen, ist diese Äußerung im Kontext des Entnazifizierungsverfahrens gefallen. Die mehrfache Zurückweisung dieser Hilfe soll demonstriert werden, um zu belegen, dass er die Unterstützung eines Nazi – so sehr sie verlockend gewesen sein mag – nicht annehmen wollte, denn es kommt Domagk im Rahmen der Entnazifizierung darauf an, möglichst großen Abstand zum NS-System zu zeigen. Es spricht Vieles dafür, dass sich die Version von der durch Hitler angeordneten Verhaftung Domagks so zugetragen hat, wie Wir(t)z sie beschreibt. (Domagk hat nur durch Verschweigen bestimmter Tatsa­chen für eine ‘Korrektur’ der Erinnerung gesorgt, soweit bisher bekannt.)  Der Zu­ückweisung jedoch liegt die tiefe Kränkung zugrunde, dass er wohl im Vergleich zu Butenandt und Kuhn als ‘Unbekannter’ Opfer von Hitlers Zorn ge­worden ist.  Diese Linie der Erinnerung erscheint in seinen Erinnerungen nicht mehr.[87] Schon damals wird auch die Argumentationsfigur des ‘Zu-höflichen-Briefes’ erwähnt, die in dem Schreiben vom 22.11.1939 als „il­loyales Verhalten“ von Heydrich als offizielle Sprachregelung  eingeführt war  (S. 17).

In einem Gespräch spricht Domagk 1947 von dem Zusammenhang seines Dank­schreibens (3.11.1939) und der darauf folgenden Verhaftung (17.11.1939). Sein Satz: „Auch nach der Entlassung aus der Haft hatte ich noch genug Unannehm­lich­kei­ten“ öff­net den Raum für Phantasien, die zwar seine Traumatisierung durch die Verhaftung, genauso aber bekundet dieser Satz auch seine Empathielosigkeit den tatsächlichen Opfern ge­gen­über und läßt nicht seine Eingebun­denheit in den folgenden Jahren in das NS-System erahnen.[88]

In dem Artikel „Nobelpreis war ‘unerwünscht’“, der ganz der Linie von Domagks Beschreibung der Nobelpreisverleihung in den Entnazifizierungsakten folgt, heißt es im redaktionellen Teil: „… und sich [Domagk, D.S.] der entwürdigsten [sic!] Behandlung seitens der Machthaber des totalitären Staates aussetzte“.[89]

Der „Spiegel“ schloss Ende 1951 einen Artikel über „Domagk – Wie einst Robert Koch“: „Aus der Tagespolitik möchte er sich möglichst heraushalten. Er denke als Wissenschaftler in größeren Dimensionen als die Politiker, sagte er einmal. Nur den Weltbürgern [sic] gelang es, seinen großen Namen und seine politische Uner­fahrenheit auszunutzen. Gerhard Domagk wäre nicht der erste Wissenschaftler, des­sen politische Konzeption naiv ist“.[90]

 

Dr. rer. nat. Detlev Stummeyer

Psychiater – Psychoanalytiker (DPV)

stummeyer@t-online.de


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*Ursula Ferdinand (Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité Ber­lin) danke ich für die Überlassung ihrer noch nicht ausgewerteten Dokumente zu Do­magk und Siegmund (hier z.T. ausgewertet: UArchiv Münster). Ihr, Sabine Happ (Univer­sitätsarchiv Münster), Lucia van der Linde (Poltisches Archiv Auswärtiges Amt), Simone Langner (Bundesarchiv Berlin), Simon Nobis (Archiv der MPG)  und Hans-Hermann Po­garell ( Archiv Bayer AG  Lever­kusen) ver­danke ich wertvol­le Hinweise.

[1]BAL 271-2, Gerhard Domagk, Lebenserinnerungen (unveröffentlichtes Manuskript), ohne Jahr, S.  80–250.

[2]Bayer AG [Hg.], Gerhard Domagk (1895–1964). Lebenserinnerungen in Bildern und Tex­ten, Köln 1995

[3]Ekkehard Grundmann: Gerhard Domagk. Der erste Sieger über die Infektionskrankheiten, Münster 2001  und Robert Behnisch: Die Geschichte der Sulfonamidforschung, Mainz 1986.

[4]Grundmann  [wie Anm. 3], hier S. 176.

[5]Paul Weindling, Verdacht, Kontrolle, Aussöhnung, S. 330, in: Wolfgang Schieder und Achim Trunk [Hgg.], Adolf Butenandt und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft,  Göttingen 2004, S. 320–345.

[6]Elisabeth Crawford: German scientists and Hitler’s vendetta against the Nobel prize, in: Histo­rical Studies in the Physical and Biological Sciences, Volume 31, Part 1 (2000), S. 37–53, hier S. 46.

[7]Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 3. Dies ist wenig glaubhaft, denn auf eine Frage des Univer­sitätskurators im Zusammenhang nach der Zukunft seiner Hochschullaufbahn ant­wortet Domagk 1935 u.a.: „… Wo kann ich meinem Volk als Arzt und als Forscher am besten dienen? Andere Gesichtspunkte haben für mich bisher nicht gegolten und werden auch in Zukunft nicht gelten.“  [UArch Münster Bestand 10 Nr. 1454 – Gerhard Domagk (1895-1964), Bl. 33]. Siehe auch S. 20.

[8]Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 172.

[9]UArch Münster, Bestand 9, Nr. 336. Die von Siegmund in diesem Schreiben angeführte Eh­rung, die Domagk erhalten habe, die „Deutsche Liebig Medaille“, konnte nicht verifiziert werden. Siehe ebenso S. 18.

[10]Grundmann [wie Anm. 3], hier S.110–111  und Bayer AG [wie Anm. 2] hier S. 45. Am 22.4.1944 erscheint zu diesem Vorgang eine – zumindest hier – letzte Notiz, bevor die Unter­lagen vorläufig zu den Akten gehen, nämlich dass der stellvertretende Gauleiter die­se „Ange­legenheit“ bei der Parteikanzlei weiter verfolgen werde.  In seinen Entnazifizie­rungsakten spricht Domagk selbst davon, dass ihm „1944 auf  Antrag der Universität“ das RK des KV­Ks verliehen worden sei – warum spricht die Grundmannsche Biografie so ganz anders?  (LA  NRW,  Abteilung Rheinland, Bestand NW 1022–D, Nr. 8351). In Frank Ryan: Tubercu­losis:  The Greatest Story Never Told, Bromsgrove 1992, hier S. 205), wird dieses Ereignis so ge­schildert: „That same week  [im Feb.1944], Domagk re­ceived a letter from the rector …, tel­ling him he had been nominated by the university for the Ritterkreuz,… It was the first time in history the medal  had been awarded for purely scientific merit. While pleased with the award, Domagk made no pretence supporting the Nazi party, as he now made abundantly cle­ar from a diary entry [es folgt ein Eintrag aus dem ‘Tagebuch’, D.S.] “. In seinen ungekürzten Erinne­rungen redet Domagk ganz offen über diese Ehrung. Er zitiert ein Schreiben des Rek­tors vom 10.2.1944: “…, dass nach ei­ner soeben eingegangenen Nachricht des Präsidenten des Reichs­forschungsrats [Göring, D.S.] der Führer die Verleihumg des Ritterkreuzes zum Kriegsverdienst­kreuz … geneh­migt hat. Der Führer hat sich den Auslieferungstermin noch vorbehalten.  Ich hatte ge­hofft, dass die Verleihung am 30. Januar [1944, D.S.] werde stattfinden können“ (Do­

magk [wie Anm. 1], hier S. 230) . In der Korrespondenz mit dem Reichsgesundheitsfüh­rer–Auslandsabteilung wird ihm am 16.6.1944 zur Verleihung gratuliert (BAL 316/2.81).

[11]Hans-Herrmann Pogarell, E-mail vom 17.5.2016

[12]Ekkehard Grundmann, The First Man To Triumph Over Infectious Deseases, Münster 2004, hier S. 112.

[13]Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 84.  Das eingestreute „Nebenbei“ soll blenden. – Z.B. BAL  316/003049.

[14]UArch Greifswald: Eintragung Gerhard Domagks in das Album der Ehrensenatoren. Hier führt er für 1939 den Nobelpreis mit dem Zusatz „abgelehnt“ auf. In seinen ungekürzten Le­benserinnerungen [wie Anm. 1], hier S. 137, spricht er von der Spanienreise im Okto­ber 1940.

[15]UArch Münster Bestand 10 Nr. 1454 – Gerhard Domagk (1895-1964).

[16]Grundmann [wie Anm. 3], hier S.110.

[17]Grundmann [wie Anm. 3], hier S.175. Auch Behnisch [wie Anm. 3], 49 zitiert Domagks Satz, ein Literaturhinweis fehlt.

[18]Schon lange vor Grundmann ist allein die Tatsache, dass Domagk durch die Gestapo ver­haftet wurde, Ausweis seiner Gegnerschaft zum NS-System gesehen worden. Die ‘Bear­beitungen’ Grundmanns haben einen Vorläufer. In der Liste der erhaltenen Ehrungen feh­len die Jahre 1940 und 1941 in seinen Entnazifizierungsunterlagen vollständig.

[19]Behnisch redet expressis verbis von einem Reiseverbot (Behnisch [wie Anm.3], hier S. 49).

[20]Hans Schmidt ist  ao., ab 1941 Honorarprofessor an der Uni Marburg und gleichzeitig an­gestellt bei den zur I.G. Farben gehörende Behring-Werke, ihr Institut für experimentelle Thera­pie leitend. Anläßlich eines wissenschaftlichen Kongresses zu Ehren Beh­rings Ende 1940 hielten u.a. Schmidt und Domagk  Referate, nachdem der Marburger Hygiene-Ordi­narius Pfannenstiel in SS-Uniform in die Tagung eingeführt hatte (Kornelia Grund­mann: Kriegs­wichtige Forschung, in: Gerhard Aumüller et al. [Hgg.], Die Marburger Fa­kultät im „Dritten Reich“, München 2001, S. 615–649, hier S. 643). Zwei Jahre später ge­hört Hans Schmidt in Lem­berg (heute Lwiw, Ukraine)  neben Mrugowsky, Gildemeister, Kuhn, Wohlrab u.a.. zu den Refe­renten anläßlich der In-Betrieb-Nahme des Behring-Wer­kes Lemberg. Thomas Wer­ther: „Hans Schmidt mit seiner Unterstützung der Menschenversu­che in Buchenwald trug(en) die durch die Nationalsozialisten geschaffe­nen Bedin­gungen mit. Allen gemeinsam war der Wille, “lebenswer­tes” deutsches Leben zu retten, d.h. die deutschen Soldaten, die Zivilisten im Osten sowie die sog. “Volksdeut­schen”. Die Ver­nichtung “unwerten” Lebens, also der Ju­den in den Ghettos, von KZ-Häft­lingen oder Ver­suchsprobanden, wurde von den meisten bil­ligend in Kauf genommen oder war sogar er­wünscht. Ideologische Affinitäten spielten für die an der  Durchführung der Menschen­versuche Beteiligten eine wichtige Rolle, waren jedoch nicht ausschlagge­bend angesichts der kriegspolitischen Notwendigkeiten. Hans Schmidt war Fördermitglied der SS, er trägt auch Mit­verantwortung bei den Menschenversuchen in Bu­chenwald. In den von ihm for­mulierten Quellen lassen sich aber nirgendwo Zustim­mung oder Affinitäten zum NS-Ge­dankengut aufspüren. Im Ge­genteil: er lehnt die Be­kanntmachung der Verlei­hung des Ei­sernen Kreuzes vehement ab“ (Fleckfieberforschung im Deutschen Reich 1914–1945. Untersuchungen zur Beziehung zwischen Wissenschaft, Industrie und Politik un­ter beson­derer Berück­sichtigung der I.G. Farben, Marburg 2004, hier S. 203 und 222, http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2008/0157/pdf/dtw.pdf, zuge­griffen 19.7.2016). Hans Schmidt gehört danach nicht zu den „Unpolitischen“, wie in K. Grundmann ([s.o.], hier S. 271 und 548) nahegelegt wird, aber auch nicht zu den „politisch Akti­ven“.

[21]Walter Menk (1892–1980), in den 1930er Jahren Mitarbeiter der I.G. Farben, hatte 1941 ‘Sorge’ um seine von ihm als Versuchsobjekte miss­brauchten Patienten, als diese im Rah­men der T4-Aktion abtransportiert werden sollten. Er protes­tierte und sagte nach Beendi­gung seiner Versuche den „automatisch(en)“ Ab­transport zu (Hendrik van den Bussche: Die Hamburger Universitätsmedizin im National­sozialismus, Berlin 2014, hier S. 272, 273). In Naomi Baumslag, Murderous Medicine, Nazi Doctors, Human Experimentation, and Typhus, Westport 2005, hier S. 138, wird Menk zusammen mit Mühlens und Nauck als Teil der „sinister history“ des Hamburger Tropeninstitutes ge­nannt. In Warschau teste­te Menk etwa 100 in Elberfeld hergestellte Sulfonamide, in Zu­sammenarbeit mit Ki­kuth, auf ihre Antimalariawirksamkeit. „…drück­te sich Gerhard Domagk … etwas vorsich­tiger aus: ‘Bei Fleckfieber fehlen noch ausrei­chende Erfahrungen, um sicher urteilen zu kön­nen’; aber auch er [Domagk, D.S.] ver­schleierte die absolute Un­brauchbarkeit sämtlicher durch ihn und sei­nen Kollegen Walter Kikuth entwickelten Sul­fonamide bei der Behand­lung von Fleckfieber“ (Werther [wie Anm. 20], hier S. 60–61).  Domagk erwähnt nicht die Litera­tur von 1939, die seiner Ein­schätzung deutlich wider­spricht. In einem Bericht über einen Kon­greß in Rom Mai 1939 erwähnt er „vereinzelt(e)“, überraschend günstige Einwirkungen (Domagk [wie Anm. 1], hier S. 91). – Menk, der 1930 bereits der NSDAP beitritt ( Klee [wie Anm. 31], hier S. 402), ist während seines mehrjährigen Südamerika­aufenthaltes Vertrauensmann der Landesgruppe Brasilien der NSDAP und Amtleiter für Kultur der Landesgruppe Argentinien der NSDAP; er wird 1948 als Mitläufer eingestuft und mit einer Geldsühne von 1000 DM belegt (Marion Hulverscheidt danke ich für diese Information, e-Mail vom 25.10.2016).

[22]Ludwig Lendle, Pharmakologe, Giftgasforscher, Professor in Münster ab 1936, Herausge­ber des  Domagk/Hegler-Buches „Chemotherapie bakterieller Infektio­nen“ und des Ki­kuth/Menk-Buches in den „Beiträge(n) zur Arzneimitteltherapie“.KVK m.S. Nov. 1944.

[23]Bayer AG [wie Anm. 2], hier S. 45. Hier wird von der Bekannschaft mit dem Leipziger

Dermatologie-Ordinarius berichtet.

[24]Die Aufzählung von Personen, die in der Grundmann’schen Biografie erwähnt sind, mit

denen Domagk Kontakt hat und teilweise zusammengearbeitet, soll nur deren Eingebun­denheit in das NS-System demonstrieren, aus welchen Gründen auch immer.

[25]Behnke war von 1927–1967 Ordinarius in Münster. Er hatte aus 1. Ehe mit Aenne Albers­heim (1901–1927), einer Tochter aus einer bekannten Frankfurter Familie einen Sohn, der in der Familie seiner  Frau aufwuchs, die kurz nach der Geburt des Sohnes im Wochen­bett gestorben war (http://albersheim.com/tree/albershei/aqwg06.htm, zugegrif­fen 9.7.2016). Behnke lebte in Sorge um diesen Sohn, da dieser für die Nationalsozialisten ein „Halbjude“  war.

[26]Heinrich Behnke, Semesterberichte. Ein Leben an deutschen Universitäten im Wandel der Zeit, Göttingen 1978, hier S. 234.  Behnke war einer von zehn Dozenten, über die der Rektor dem Mi­nisterium berichten solle, weil sie  unter die Bestimmungen des Berufsbe­amtengesetzes fallen wür­den. Die Gleichschaltungskommission stellte am 17.7.1933  fest: „… 3.)  Hein­rich Behnke, Ordina­rius für Mathematik  –  Anhänger extremster [sic] pazifistischer Ide­en, läßt sein Kind aus 1. Ehe mit einer Jüdin im jüdischen Glauben er­ziehen (mildernde Umstän­de: dies angeblich der im Wochenbett verstorbenen Kindsmut­ter versprochen, große wissen­schaftliche Bedeutung.) (Helmut Heiber: Universitäten un­term Hakenkreuz, Teil II: Die Kapi­tulation der Hohen Schulen, Das Jahr 1933 und seine Themen, München 1994, hier S. 703– 704).

[27]Ausführlich: Ursula Ferdinand: Die Medizinische Fakultät, S. 413–530, in: Hans-Ulrich Tha­mer; Daniel Droste; Sabine Happ [Hgg.], Die Universität Münster im Nationalsozia­lismus, Münster 2012, hier S. 458–465 und Heiber [wie Anm. 26], hier S. 714–719. We­nige Monate nach dem ‘Sui­cid’ von Walter Gross erschüttert ein zweiter ‘Suicid’ die Medi­zinische Fakultät.

[28]Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 22 und 162. Der Vergleich der Schilderung der genauen Umstän­de, die zum ‘Suicid’ führen, bei Grundmann, Ferdinand und Hei­ber zeigt deutlich die Tendenz bei Ersterem, die Auswirkungen des Nationalsozialis­mus nur dann zu erwäh­nen, wenn es unumgäng­lich ist oder sie als solche nicht sofort erkennbar sind. Domagk selbst erwähnt das Schicksal seines Lehrers Walter Gross in seinen Erinnerungen nicht. In Domagks Erinnerungen wird das Geschehen um den ‘Suicid’seines Lehrers nicht erwähnt.

[29]Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 164.  –  Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Domagk in seiner Literatur­liste zur Nobel-Lecture 1947 einen der beiden Nazi-Aktivis­ten, den damaligen Sturmbannführer Wil­helm Kloster­meyer (1908–?) mit sei­nem Beitrag zur erfolgreichen Sulfonamidbehandlung von Knieverletzun­gen aufführt (http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/1939/Domagk-lec­ture.pdf, S. 527). Klostermeyer ist nach dem Krieg ao. Professor der Univer­sitätsklinik Aachen (Ca­rola Döbber, Politische Chefärzte? Kassel 2013,  hier S. 73–81[http://www.uni-kassel.de/upress/online/frei/978-3-86219-014-0.volltext.frei.pdf, zugegriffen am 1.7.2016]). Erich-Emil Benecke (1907–61), der andere Nazi-Aktivist, wurde 1944 apl. Professor an der Uni Rostock (http://cpr.uni-rostock.de/metadata/cpr_person_00003349).

[30]Behnke [wie Anm. 26], hier S. 234. – Kikuth ist Ordinarius an der Medizinischen Akade­mie Düssel­dorf 1948-1965, nachdem er sich dort  1931 habilitiert hatte. 1950 wird sein Nachfol­ger in Elberfeld seit 1937 sein Mitarbeiter, Rudolf Gönnert, ebenfalls Teilnehmer der Krynica-Konferenz (Verzahnung des Gesundheitswesens im Generalgouvernement Polen mit der Politik der Vernichtung), verwickelt in Menschenversuche im KZ Buchen­wald, in der Fleckfieberforschung in Lemberg, Generalgouvernement Polen, ab Ende 1942 tä­tig. –

Behnkes Schilderung der ‘verpassten’ Begegnung und seine Kommentierung hierzu lassen im Le­ser ein Bild entstehen, dem etwas Entscheidendes fehlt. Diesem Fehlendem wird hier nach­gespürt. Kann Behnkes Nachdenklichkeit, die in seinem Kommentar aufscheint, nicht auch gelesen werden als ein Reflex auf die ihn umtreibende Frage, wie er sich als „jüdisch-versipp­ter“ Ehemann verhal­ten hätte, wäre seine Frau nicht im Wochenbett ver­storben?

[31]Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, 3. Auf­lage, Frankfurt 2011, hier S. 308. Auch: Werther [wie Anm. 16], hier  S. 61 und 156 und Marion Hulverscheidt: 1942. Die klinische Prüfung des Sontochin. Arzneimittelfor­schung im Krieg, in: Nicholas Eschenbach et al.  [Hgg.], Arzneimittel im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009, S. 143–166, hier 154. Mit Wal­ter Menk, „eng bekannt bzw. befreundet“ mit Kikuth und Hans Schmidt, Marburg (Personalakte BNI im Staatsarchiv Hamburg Be­stand 361-6  Akte IV 1215, pers. Mitteilung Marion Hulverscheidt 25.10.2016), Tropen­mediziner und Erfahrung in Menschenversuchen, verfasste Ki­kuth 1943 ein Lehrbuch über die Che­motherapie der Malaria. Mit Werner Schulemann, bis 1936 Leiter des phar­mazeutisch-wissenschaftichen Laboratoriums I.G. Farben-Elberfeld, in dem die Antima­lariamittel von Bayer synthetisiert werden, hält er zusammen in den 1930er Jahren Vorle­sungen in Düs­seldorf und ist ihm über den Krieg hinaus verbunden. Schulemann, ab 1937 Ordinarius in Bonn, setzt seine Malariaforschung fort, auch mit Humanexperimenten (Marion Hulver­scheidt, German Malariolo­gy Experiments with Humans, Supported by the DFG until 1945, in: Wolfgang U. Eckart [Ed.], Man, Medici­ne, and the State, Stutt­gart 2008, S, 221–235). Am besten kann man ihn als ‘widerspruchsbereiten’ Nationalsozial­isten be­zeichnen (Ralf Forsbach: Die Medizische Fa­kultät der Universität Bonn im „Dritten Reich“, Mün­chen 2006, hier S.100–112). Beratender Phar­makologe. 1944 wird er in den wissenschaftli­chen Beirat Karl Brandts berufen.  Im Dez. 1944 er­hält er noch das RK-KVK m.S. Suspen­diert wegen SA-Mitgliedschaft (http://forum.axishistory.com/viewtopic.php?t=66810&start=270, zugegriffen 16.7.2016), zwi­schen 1945–1950 „he quietly disappeared into the folds of Schering“, bevor er wieder Ordinarius in Bonn ist (Hulverscheidt [s.o.], hier S.224).

[32]Silke Stellbrink hat sich mit der Involviertheit Kikuths in den Nationalsozialismus befasst (Walter Kikuth und das Hygiene-Institut an der Medizinischen Akademie Düsseldorf, in: Wolfgang Woelk et al. [Hgg.]: Nach der Diktatur. Die MedizinischeAkademie Düsseldorf nach 1945, Essen 2003, S. 303–322). Sie unterscheidet aktive und mittelba­re Beteiligung und kommt zu dem Schluss, dass man Kikuth eine akti­ve Betei­ligung nicht nachweisen könne. Da in dem Aufsatz weder „Walter Kikuth als Lei­ter des Chemotherapeutischen Labors in Elberfeld“ in der speziellen Zeit des Nationalso­zialismus noch die Involviert­heit der I.G. Farben in das NS-System ins Blickfeld geraten, bleiben die Netzwerke aus uni­versitären, aus der Industrie kommenden Wissenschaftlern, aus Forschern des Ham­burger Tropeninstituts, des RKIs und der Militärärztlichen Akademie, aus Wehrmachts- und SS-Ärzten, aus Ärzten von Gesundheitsbehörden weitgehend ver­borgen, zu denen auch Kikuth gehört und die teilweise den Krieg überdauern. So kann die „mit­telbare Be­teiligung“ Kikuths zu einem privaten Vorteil schrumpfen, der sich an der Höhe der „Tan­tiemen“ ablesen lässt. Ganz am Schluss (S. 321) konzediert die Autorin, dass Ki­kuths „Wissen um Zweck und Aus­führung [der Menschenversuche in KZs] nur schwer­lich zu bezweifeln ist“. Selbst wenn nur dieser Befund erhoben werden könnte, müsste von Mit­verantwortung gesprochen werden. – Im Gegensatz hierzu geht Ludger Weß den Ver­flechtungen von I.G. Farben (namentlich Walter Kikuths) mit dem Hamburger Tropenin­stitut, repräsentiert von Menk, Mühlens und Nauck (siehe Anm. 21)  nach. Er vergleicht die­se Zusammenarbeit mit  einer „Arbeitsgemeinschaft“ (Ludger Weß: Menschenversu­che und Seuchenpolitik – Zwei unbekannte Kapitel aus der Geschichte der deutschen Tro­penmedizin, in: 1999 Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 2/93, S. 10–50, hier S. 37 und 49).– Die Entnazifizierung Kikuths verlief nicht so problemlos wie die von Domagk. Da er seit 1937 Mitglied der NSDAP  war, wurde er im Februar 1946 kurz aus seiner Stellung als Prokurist der I.G. Farben entfernt; wegen der Bedeutung Ki­kuths für die For­schung wurde diese Maßnahme aufgehoben. Sowohl in Düsseldorf – er wurde kommissa­rischer Direktor des Hygiene-Instituts – als auch in Wuppertal musste er sich vom Entna­zifizierungsausschuss überprüfen lassen. Gegen die Wuppertaler Ein­stufung in die Kate­gorie IV (Mitläufer) legte er erfolgreich Berufung ein, so dass er ab 1949 von beiden Aus­schüssen in der Kategorie V (entlastet) geführt wurde. Dass er im NS-Sys­tem ein ge­schätzter Wissenschaftler war, geriet nicht ins Blickfeld. Da schadete es auch nicht, dass ein Leumundszeugnis von  seinem späteren Nachfolger Gönnert, „zeit­weise versetzt“ (1940–1944) und „Abteilungsleiter“ in dem Lemberger Behring Werk, stamm­te (LA Nord­rhein-Westfalen, Abtei­lung Rheinland, NW 1002-MED Nr. 6755 und NW 1022-K Nr. 22571 bzw. NW 1022-G Nr. 22529).

[33]Erlass von Adolf Hitler, RGBl. I (1937), S. 305 (http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=dra&datum=1937&page=413&size=45, zugegriffen 20.7.2016).

[34]Bayer AG [wie Anm. 2], hier S. 35. Domagk spricht in seinen Erinnerungen  [wie Anm 1] von einer „mehrere Tage“ währenden Haft (S. 132). Tatsächlich dauert sie etwa 3½ Tage. In seinen Erinnerungen nimmt sie ½ Seite Raum ein; nur selten kommt er auf sie zurück. Selbst Bovet, der Domagk anfangs einen strammen Deutschnationalen nennt, spricht von einer etwa 10tägigen Haft. Nach dem Krieg habe er sich zum Pazifisten gewandelt (Daniel Bovet, Une chimie, qui guérit, Paris 1988, hier S. 147).

[35]Dieser informiert am 28.10.1939 das Auswärtige Amt (BA R 43-II/910b, Abschrift Kult. Gen. 1703).

[36]Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 82–88. Lesch, John E.: The First Miracle Drugs: How the Sulfa Drugs Transfor­med Medicine, Oxford 2007, hier 100–103..

[37]Im Wortlaut (BA R 43-II/910b, Bl. 51).: „Mein Führer! Durch Beschluß des Lehrerkolle­giums des Karolinischen Intitutes in Stockholm ist mir am 27. Oktober 1939 der Nobel­preis für Medizin und Physiologie verliehen worden. Ich habe davon Seiner Magnifizenz dem Herrn Rektor der Universität Münster i/W Mitteilung ge­macht. Da es nach dem deutschen Gesetz meines Wissens dem Beliehenen verboten ist, den Preis anzu­nehmen, möchte ich – falls dies möglich ist, – darum bitten, den Betrag für die zusätzlic­he Pflege von deut­schen Verwundeten und solchen des Feindes, die in deutsche Hand ge­raten sind, zur Ver­fügung stellen zu dürfen resp. zum Ankauf von Heilmit­teln wie Salben­grundlagen u.s.w, die aus dem Ausland eingeführt werden müssen. Ich möchte, da­mit mei­nem Bestre­ben, in jeder Situation nach bester Überzeugung als Arzt zu handeln und zu hel­fen, treu bleiben, falls nicht eine andere Regelung im Interesse des Reiches wichti­ger ist.

Mit deutschem Gruß! Hochachtungsvoll

  1. Domagk“.

Dieser Brief ist zum ersten Mal in Alfred Neubauer, Bittere Nobelpreise, Norderstedt 2011, hier Pos. 449 (eBook), veröffentlicht worden. Hier ist auch eine detaillierte chrono­logische Aufstellung zu finden. Der Vorgang, der zur Verhaftung führt, wird dort anders als hier dargestellt.

[38]BA R 43-II/910b, Bl 50 und 52. Der Chef der Reichskanzlei Lammers ist einverstanden.   Nicht destoweniger bittet die Reichskanzlei das AA in weiteren Schreiben vom 27.11. und 11.12.1939 um Mitteilung, wie auf Domagks Brief an Hitler rea­giert werden soll (Bl.53 und 54). Hierauf abschließend antwortet das AA am 8.12.1939 (Bl.. 55).

[39]Gesandtschaft Stockholm, 627 ( Kult 9 Nr. 2, Nobel-Stiftung) (aus Schmaltz [Anm. 40], hier S.379, Anm. 106).– Das AA dürfte über Mitteilungen aus dem Ausland verfügt ha­ben, die von einer höflichen Ablehnung Domagks sprachen (Peter Karlson, Adolf Buten­andt, Stuttgart 1990, hier S. 105). – Siehe Crawford [wie Anm. 6], hier S. 44.

[40]Florian Schmaltz: Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus, Göttingen 2005, hier 376, 379–380. Vgl. Wolfgang Schieder, Spitzenforschung und Politik. Adolf Butenandt in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, S. 45–49, in: Wolfgang Schieder und Achim Trunk [Hgg.], Adolf Butenandt und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Göttingen 2004, S. 23–77 die Zurückweisung des Nobelpreises aus Butenandts Blickwinkel. – Neu­bauer  [wie Anm.37], hier Pos. 577-593 (ebook), zitiert Butenandt, der noch am gleichen Tag, dem 10.11., die Mahnung des AAs, jede offizielle Äußerung zu unterlassen, erhalten habe.  Er schickt einen Brief an Hans von Euler tags darauf, Direktor des Institutes für Organ. Chemie in Stockholm, einem Mitglied des Nobelkomitees für Chemie und mit gu­ten Kontakten nach (auch dem faschistischen) Deutschland, in dem er seiner großen Freu­de Ausdruck verleiht und sich bedankt. In gleicher Weise verhält sich Kuhn. – Archiv der MPG, III. Abt., Rep. 84/2, Nr. 7813 (Hinweis aus  Wolfgang Schieder, Spitzenforschung und Politik [wie oben], hier S. 48).

[41]Polit. Archiv AA, RAV Stockholm, Karton 627 (Kult 9 Nr. 2: Nobel-Stiftung) aus Schmaltz [wie Anm. 40], hier S. 380 Anm. 109. Polit. Archiv AA, R 60605, Kult. 1732 g und LA NRW, Abteilung Rheinland RW 58 Nr. 14040, Bl. 8 und 10.

[42]Entnazifizierungsakte Domagk – Bericht über die Verleihung des Nobelpreises.– „Wirtz“ muss nach Domagks Beschreibung korrekt „Wirz“ heißen: „Großes Ansehen in der Par­tei, aus München“. 1944 im Wiss. Beirat Karl Brandt (Klee [wie Anm. 31], hier S. 682). Dieser Schreibfehler kommt  möglicherweise durch eine Kontamination mit dem Namen des Giftgas­experten Wolfgang Wirth zustande, ebenfalls im Wiss. Beirat Karl Brandt und ab 1948 in der Pharmakologischen Abteilung Bayer AG/Elberfeld,  später Nachfolger von Hell­mut Weese (Phosgentierversuche und Periston).– Wirz, Prof. und dermatrologischer Oberarzt, ist 1933 an der Denunziationskampagne gegen  den (seinen) Münchener Haut­klinikchef v. Zumbusch maßgeblich beteiligt, die mit der Entfernung v. Zumbuschs endet (Helmut Böhm, Von der Selbstverwaltung zum Führerprinzip. Die Universität München in den ersten Jahren des Dritten Reiches (1933–1936), Berlin 1995, hier  S. 529–531).

[43]BA R 43-II/910b, Bl. 55.

[44]Unterstützt wird diese Argumentation darin, dass noch nach der Entlassung  Domagks aus der Haft, nach dem 21.11.1939 Domagk Anfang Dezember 1939 zu einem Interview ver­nommen wird, das er nach seinen Angaben Stunden vor Bekanntgabe der Nobelpreisver­leihung mit einem schwedischen Journalisten geführt habe. So sehr war man da noch auf der Suche nach weiterem „illoyalen“ Verhalten. Diese Vernehmung ordnete „Der Inspek­teur der Sicherheitspolizei und des SD in Düsseldorf“ an, nachdem er in einem Schreiben den nach Stockholm übersandten „Zwischenbescheid“ (wahrscheinlich Anm. 41) als un­zutreffend bezeichnet hatte (LA NRW, Abteilung Rheinland Nr. 14040, Bl. 27 und 28).

[45]UArch Münster Bestand 10 Nr. 1454 – Gerhard Domagk (1895-1964) und Neubauer [wie Anm. 37], hier Pos. 528 (ebook).

[46]Heiber [wie Anm 26], hier S. 692.

[47]Klee [wie Anm. 31], hier S. 403. Mentzel ist hier, wie häufiger in den Universitätsakten, ohne „t“ geschrieben (Sabine Happ Universitätsarchiv Münster, persönliche Mitteilung). Zu Mentzel siehe Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagent im „Dritten Reich“, hier S.270–280.

[48]Neubauer [wie Anm. 37], hier Pos. 525 (ebook), datiert dieses Gespräch auf den 23.11.39.

[49]Wie sehr dieses Ereignis – je nach Situation – psychisch bearbeitet ist, zeigt ein Blick in seine Erinnerungen. Heißt es noch bei der Schilderung seiner Haftzeit: „… Ich war auf al­les gefaßt… körperlich sehr mitgenommen …“ (Domagk [wie Anm. 1], hier S. 132, auch in etwa S. 133, 135), so erwähnt er im Rückblick darauf, die Zeit von Ende 1947 berich­tend,  eine Episode aus seiner Haft, in der er „gelassen“ auf eine „brüsk(e)“ Aufforderung des Wärters reagiert habe (Domagk, Erinnerungen, Band 2, S. 31).  Es fällt sein Klagen über die „Ungerechtigkeit“ auf, die ihm mit der Haft widerfahren sei, und die fehlende Relativierung in der Nachbetrachtung (~ 1960), in der er ohne Mitgefühl mit den ‘wirkli­chen’ Opfern des Nationalsozialismus bleibt. Hat Domagk selbst an die Version geglaubt, seine Erinnerungen seien ein Tagebuch? Oder unterläßt er die allzu offensichtlichen Nachbetrachtungen, die sein „Tagebuch“ sogleich als später geschriebene Erinnerungen entlarven würden?

[50]Domagk [wie Anm. 1], hier S. 83, 87, 88, 107, 112–114, 125, 126. Auch wenn man be­denkt, dass diese Erinnerungen zur Hochzeit des Kalten Krieges geschrieben sind, es er­staunt, wie wenig kritisch die „nationalsozialistische Atmosphäre“ 25 Jahre später einge­fangen wird, so­fern sie überhaupt ins Blickfeld gerät. Domagk befand sich seit der Sul­fonamidentdeckung in einem (wissenschaftlichen) Krieg mit dem westlichen Ausland:    Er forschte für Deutschland, insofern ist seine Verhaftung ihm als Patrioten völlig unver­ständlich und widersinnig: „Frankreich, England, Amerika begannen sich seit 1935 auf das von uns erschlossene Gebiet zu stürzen. Ungeheure Mittel wuden für die Weiterverar­beitung dises Gebietes zur Verfügung gestellt. England wollte in Zukunft nicht wie 1914 von deutschen Arzneimittel abgeschnitten werden. Der Krieg von 1914–1918 wurde fort­gesetzt, wenn auch mit anderen Mitteln.“ (S. 65). Auch die Bemühungen Kuhns 1938/39, ihn als Pathologen und Nachfolger von Ludolf Krehl ans Heidelberger KWImF zu beru­fen, haben sicherlich dazu beigetragen, Domagk in der Richtigkeit seines Weges zu bestätigen (https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/themes/medicine/states/personal-tragedy.html, zugegriffen 20.10.2016). Lesch  [wie Anm. 37], hier S. 94, redet von „July 1937“.

[51]Bayer AG [wie Anm. 2], hier S. 35.

[52]Entnazifizierungsakte Domagk – Bericht über die Verleihung des Nobelpreises. Man kann vermu­ten, dass diese 1945 geschriebene Erklärung Domagks Pate gestanden haben mag für die Charakte­risierung von Behnisch [wie Anm. 3], hier S. 49: „Er hatte häufig kriti­sche, bissi­ge, oft ironische Kommentare zu den Verhältnissen im Reich und seinen füh­renden Männern  abgegeben, und Spit­zel gab es überall.“ Dagegen Rektor Mevius, im Aug. 1939 an das REM in einem Antrag auf Er­nennung Domagks zum außerplanmäßigen Professor: „Innerhalb des Kreises der Dozenten ist Pro­fessor Domagk wegen seines ka­meradschaftlichen Verhaltens und seiner sonstigen hervorragenden charakterlichen Eigen­schaften allgemein beliebt“ (UAr­chiv Münster Bestand 10 Nr. 1454).

[53]Bericht über die Verleihung des Nobelpreises aus LA NRW, Abteilung Rheinland, NW 1022-D, Nr. 8351. – Hartmut Rübner: Gestapo-Terror in Wuppertal. Aufbau, Funktion, und Praxis einer lokalen Verfolgungsbehörde, Münster, S.28-30 (dieses Literaturzitat ver­danke ich Stephan Stracke, Wuppertal). –  LA NRW, Abteilung Rheinland RW 58 Nr. 14040, Bl. 5.

[54]Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 189–190.

[55]Münchner med. Wochenschrift 1940, 31, 848. Diese Ehrung wird in den Entnazifizie­rungsunterlagen Ende 1945 nur unter dem Aspekt erwähnt, dass er das Preisgeld an das DRK gespen­det habe. Domagk nennt ihn – vor  1933 ist es der Aronson-Preis – „Preis für Chemotherapie“ und zählt ihn nicht bei seinen Ehrungen auf, allerdings weiß er noch, dass ihm „Professor von Czerny – Berlin“ diesen Preis verliehen habe, betonend, dass Unterlagen darüber verloren gingen durch Einquartierung von Truppen in sein Haus– wahrscheinlich dürfte es sich um Adalbert Czerny (1863–1941) handeln [LA NRW, Ab­teilung Rheinland, Bestand NW 1022-D Nr. 8351]. Von diesem Preis zu reden, ist Do­magk sichtlich nicht leicht gefallen.

[56]Sehr lobend besprochen von Paul Martini in Münchener med. Wschr. 1940, 41, 1123.

[57]Gerade die Namen seiner Mitreferenten im wissenschaftlichen Teil der Feier demonstrie­ren in eindrucksvoller Weise die Eingebundenheit Domagks in die damalige wissen­schaftliche Elite, z.B. Uhlenhuth,, Pfannenstiel, Otto, Bieling, Bessau, H. Kleinschmidt, Gins, Roessle, Demnitz, H. Schmidt. Letzterer beendet seinen Vortrag mit dem Satz, der heute wie Hohn klingt: „Hei­len und schützen [sic] bleibt aber stets die erste und vor­nehmste Aufgabe des Arztes“ (Phil­ipps Universität Marburg/Lahn: Behring zum Gedächt­nis, Berlin 1942, hier S. VI und S. 112). Die Namen der drei Preisträger von 1942–1948, Uhlenhuth, Kuhn und Hans Schmidt, drücken ungebrochene Kontinuität aus. –  Zum NS-Kult um Behring: Deutsche Gesellschaft für Immunologie [Hg.], Immunologie in Deutsch­land, Berlin 2016, hier S. 103–107.

[58]Domagk [wie Anm. 1], hier S. 135 und S. 140. Hundert Seiten später (S. 237) ist aus dem „genialen“ Führer recht unvermittelt „Adolf der Wahnsinnige“ geworden. Er redet hier von dem durch „Hitler, Goebbels, Ley und Genossen“ verführten Volk, nachdem er Mit­teilung von seiner bevorstehenden Ordensverleihung (siehe Anm. 10) durch Hitler erfah­ren hat. Ob die zeitliche Zuordnung Anfang 1944, Anfang 1945 oder das Kriegsende ist, ist nicht zu erkennen. Jedenfalls bleibt  unklar, worüber Domagk ab Frühjahr 1944  forscht. Warum schweigt er darüber? Auch bei Grundmann sucht man erfolglos.

[59]Domagk [wie Anm. 1], hier S. 138. So am 22. 10.1940 der Präsident  Prof. de la Portilla auf dem 4. Spanischen Dermatologenkongress auf Deutsch, endend mit „Heil Hitler“ und “Viva Franco“. Am nächsten Abend Empfang beim deutschen Generalkonsuls, „aus An­lass des Be­suches des Reichsführers SS, Himmler“.

[60]Neubauer [wie Anm. 37], hier Pos. 481 (ebook).  Neubauer weist in diesem Zusammen­hang auf den Widerspruch zu Grundmanns Aussagen über Domagk hin. Es verwundert, dass er die Gestapoakte Domagks nicht ausschöpft.

[61]Domag [wie Anm. 1], hier S. 165.

[62]Domagk berichtet nicht von dieser Reise. Nur seine Personalakte an der Uni Münster [wie Anm. 15] weist eine Genehmigung vom18.6.40 einer Reise nach Rom aus.

[63]Domagk [wie Anm. 1], hier S. 165 und S. 169. Wolfgang Schieder: Werner Hoppenstedt in der Bibliothheca Hertziana. Perversion von Kulturwissenschaft im Natinalsozialismus (1933-1945), in: 100 Jahre Bibliotheca Hertziana. Max-Planck-Institut für Kunstge­schichte – Die Geschichte des Instituts 1913- 2013, München 2013, 90–115, hier bes. S. 113 und S. 277. Auf S. 111 ist ein eindruckvolles Foto zu sehen von einer Veranstaltung am 29.5.41 im KWI Rom – in der vorausgegangenen Woche hatte Domagk in gleichem Rahmen geredet (S. 168). Otto Hahn erwähnt nur kurz und nüchtern seinen Vortrag in der „ Bibliotheka Hertziana“ (Mein Leben, München 1968, hier S. 157). Domagk spricht von der „deutschen  Akademie“, der Name der jüdischen Stifterin war 1938/39 getilgt wor­den. Ausführlicher zu Hoppenstedt siehe Hachtmann [wie Anm. 47], S. 548–556.

[64]Domagk [wie Anm. 1], hier S. 171.

[65]Domagk [wie Anm. 1], hier S. 176 und 184/85.

[66]Domagk [wie Anm. 1], hier S. 182, S. 184, S. 191 und 192, S. 197. Die  be­trieb­lichen Konflikte finden einen Ab­schluß in Form einer gemeinsamen Veröffent­li­chung: Domagk, G., Kla­rer, J., Mietzsch, F., Noch einmal: Zehn Jahre Sulfonamid­thera­pie, DÄ 73 (1943), 190.

[67]Im Zuge des unmittelbar an das Ernennungsverfahren zum Ehrensenator sich anschlie­ßenden Ehrenpromotionsverfahrens für Domagk erklärt der Dozentenbundführer der Uni Greifswald Prof. Günter K.F. Schultze, Gynäkologe und SS-Hauptsturmführer, hierbei keine „personelle(n) Bedenken“ zu haben (Univ. Archiv Greifswald, K 5979). „Abendes­sen“ auch mit Schultze (Domagk [wie Anm. 1], hier S. 200); Suicid von Schultze 1.5.1945 (Klee  [wie Anm. 31], hier S. 567).

[68]Domagk [wie Anm. 1], hier S.222-223.

[69]Im Dez. 1943 erhielt Domagk die Nachricht vom damaligen Reichsminister des Innern Hein­rich Himmler von der Ernennung anläßlich des „Koch-Gedenktags“ zur Ehrenmit­gliedschaft des Robert-Koch-Instituts (Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 110).

[70]Domagk streift dies nur kurz: „Prof. Brandt, der Generalkommissar Hitlers für das Sani­täts- und das Gesundheitswesen, hat mich zum Berater auf meinem Arbeitsgebiet er­nannt.“ (Domagk [wie Anm. 1], hier S. 224). Klee [wie Anm. 31], hier S. 116. Insgesamt werden  etwa 80–85 führende Mediziner Deutsch­lands im Wissenschaftlichen Beirat er­wähnt. –  Von den „26 angesehenen deutschen medizini­schen Wis­senschaftler(n)“, die sich nach dem Todesurteil für Karl Brandt zu einem Gnaden­gesuch 1948 zusammenfan­den (Ulf  Schmidt: Hitlers Arzt Karl Brandt, Berlin 2009, hier S. 604 und 698)  waren fast die Hälfte ehemalige Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats: Achelis, Diepgen, Do­magk, v. Eicken, Frey, Heubner, Nonnenbruch, Rössle, Sauerbruch, Schulemann, Sieg­mund, Stoeckel, 4 waren Münsteraner. Professoren: Siegmund, Jötten, Coenen und Domagk.

[71]Das Dankschreiben Domagks (UArchiv Münster Best. 207, Nr. 217)  an den Freund Rek­tor Sieg­mund vom 31.1.1945: “Magnifizenz! Aus den erhebenden, schönen Stunden in Salzuflen in die graue Wirklichkeit zurückgekehrt, möchte ich Ihnen, dem Herrn Dekan, Prof. Loebell [Freund (Grundmann, S. 172) und HNO-Kollege, Sturmbannarzt und NSD­AP-Mitglied (Klee, S. 375), D.S.] und allen anderen Kollegen noch einmal herzlichst danken für die große Freu­de, die Sie mir und meinen Mitarbeitern durch die hohen Eh­rungen [Ehrendoktorwürde für Domagk und wahrscheinlich die Verleihung des RK zum KVK, D.S.] er­wiesen haben. Wir trafen nachts um 4 Uhr wieder hier ein, haben unter­wegs mehrere Stunden Schnee geschaufelt, aber wie gern taten wir es in Erinne­rung an die schönen Stunden dort und in jeder Beziehung gestärkt. Ich war mit Herrn Kollegen Loebell um 5 Uhr noch mal im Kur­haus, um mich auch ein letz­tes Mal von Ihnen zu ver­abschieden, Ihnen zu danken und Sie nochmals zu beglückwünschen zu dem Aufbau, der Ihrer bewun­dertswerten Tatkraft [gemeint ist die Verlegung der Universitätskliniken, D.S.] schon jetzt dort geglückt ist. Einen ganz be­sonderen Dank und die besten Wünsche auch für den Wie­deraufbau Ihres eigenen Heimes möchte ich Sie bitten, auch Ih­rer ver­ehrten Frau Gemahlin zu übermitteln. Wie war die kurze Teestunde voller Gastfreund­schaft und Herzlichkeit. Aus allem habe ich die Überzeugung mitgenommen, daß Sie als Rektor der vertriebe­nen Uni­versität Münster die beste, deutsche Substanz erhalten werden und allen Ballast abstoßen, daß sie einst um so schöner, weisser, klarer hervortreten wird. Möchten wir alle noch Gelegenheit dazu haben, Ihnen dabei helfen zu können und den Aufstieg aus tiefster Not für unsere kämpfen­den Jugend [sic] und den Sieg mitzuerleben u. wenn das nicht, doch zu ahnen.

Mit den herzlichsten Grüßen und Wünschen für Sie, Ihre Familie u. Ihre und [sic] aufblühen­de Univer­sität als Vorbild künftiger deutscher Hochschulen!

Ihr G. Domagk“.

Siegmund wie Domagk gehen aus der Entnazifizierung als Entlastete (Kategorie V) her­vor.

[72]Ferdinand [wie Anm. 27], hier S. 518, Fußnote 506 und Kristina Sievers: Rektor und Ku­rator der Universität, hier S. 48, in: Ulrich Thamer, Daniel Droste und Sabine Happ [Hgg.], Die Universi­tät Münster im Nationalsozialismus, Münster 2012, 27–59.

[73]Domagks Ambivalenz aus der Sicht von Außen ist gut erkennbar, als in einem Brief von Mitte 1944 der Briefschreiber – ein „jüdisch versippter“ Arzt – sich bei ihm darüber be­klagen kann, er werde wie ein Jude behandelt, andererseits kann er Domagk bitten, sich bei dem Reichsge­sundheitsführer Conti dafür einzusetzen, dass sein Publikationsverbot aufgeho­ben werde (Detlev Stum­meyer: Zur Geschichte der Sulfonamide. Das Sulfona­midbuch Bosse-Bosse-Jae­ger in seiner Zeit, http://www.paul-und-kaete-bosse.de/pkb-sulf­onamidbuch/sulfonamidbuch.pdf, hier S. 22).

[74]So nennt es Elisabeth Crowford [wie Anm. 6].

[75]Lesch [wie Anm. 37], hier S. 101.

[76]Schmaltz [wie Anm. 40], hier S. 379. Man kann vermuten, dass Telschows Initiative um die Frage der Nobelpreisanname die Gespräche auf eine höhere Ebene gehoben haben und auch den eigentlich schon abgeschlossenen Fall Domagk noch einmal zusammen mit den beiden anderen höheren Orts zur Entscheidung gebracht hat. Telschow stößt Anfang der 1930er Jahre zur „Göttinger Clique“ Mentzels, einer Verbindung aus Göttinger NSD­AP, SA und SS mit jungen Akademikern.

[77]So zitiert Rüdiger Hachtmann [wie Anm. 47], S. 274  Notker Hammerstein.

[78]Robert N. Proctor: Adolf Butenandt (1903-1995). Nobelpreisträger, Nationalsozialist und MP­G-Präsident. Ein erster Blick in den Nachlaß, Ergebnisse. Vorabdrucke aus dem For­schungsprogramm “Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus”,

(http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/KWG/publications.htm#B%C3%BCcher, zugegriffen 24.7.2016). Butenandt wird hier „als eine Art Ein-Mann-NS-Weißwäscherei“ nach 1945 beschrieben, u.a. für Hörlein und Verschuer (S. 28–31 und S. 34).

[79]Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 86. – Butenandt schreibt diesen persönlichen Brief an Euler, den ihm gut bekannten Kollegen, der sich für Butenandts Nobelpreisverleihung als wichtiges Mitglied des Nobelkomitees eingesetzt hatte, nach dem – wie er schreibt –    Verbot des AA, sich offiziell zu äußern. Er weiß, dass sich Euler für eine Annahme eines Nobelpreises durch Deutsche ausspricht und gleichzeitig über gute Beziehungen nach Deutschland verfügt. Auch dieser – abgefangene (?) – Brief Butenandts wird ihm im Mi­nisterium am 23.11. vorgehalten, wenn man Butenandts Erinnerungen für glaubwürdig hält. Es ist anzuzweifeln, dass Domagks offizielles Dankschreiben in Berlin so ganz an­ders als Butenandts persönlicher Brief an Euler gesehen worden ist.

[80]Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 83. Hörlein als  Domagks Vorgesetzter hat nicht er­kennbar mit dem REM wie Telschow für Butenandt und Kuhn Kontakt aufgenommen.

[81]Exemplarisch: Grundmann [wie Anm. 3], hier S. 175–176. – Eine britische Einschätzung 1945: „Deutschland hat unter dem NS-Regime erfolgreich jeden Gesichtspunkt wissen­schaftlicher Tätigkeit – und zwar im Rahmen einer durchgeplanten Organisation – darauf ausgerichtet, Krieg zu führen. Deutschland war vielleicht die einzige Nation, die die Pro­stitution der Wissenschaft zu einem solchen Extrem geführt hat…“ (Zitat aus  Weindling  [wie Anm. 5], hier S. 336 FN 56).

[82]Paul Weindling:  Victims and Survisors of Nazi Human Experi­ments,.Science and Suffe­ring in the Holocaust, Lon­don 2015, hier S. 86. Hier ist in einer Fußnote davon die Rede, Domagk habe Karl Gebhardt 1942 K(M)arfanil gesandt, ohne seine genaue Herkunftsangabe im BAL mitzuteilen.. – Domagk berichtet in seinen Erin­nerungen von einer Begegnung mit „Prof. Brandt“ Anfang Juni 1942 in Brüssel, ihn fälschlich als Leibarzt Hitlers titulierend (Domagk [wie Anm. 1], hier S. 183, 184).– Die in Fußnote 16 zitierte Charakteri­sierung seines Kollegen Hans Schmidt, Marburg kann möglicher­weise so auch für Domagk zutreffen.

[83]Eine von mehreren Antworten hierauf könnte darin liegen, dass diese Biographie ge­schrieben wur­de, als ein zunehmendes Wissen um die Aktivitäten der I.G. Farben im NS-System be­kannt wurde und der Wunsch bestanden haben könnte, Domagks Bild  hiervon ‘frei’ zu halten. Nach dem jetzigen Stand der Forschung ist umgekehrt zu fragen, wie die­se ‘Unbe­rührtheit’ Domagks möglich gewesen sein sollte. Siehe Karl-Heinz Roth: Die I.G. Farbenin­dustrie im 2. Welt­klrieg, hier bes.: Die Pharma-Sparte der I.G. Farben im Krieg und ihre Be­teiligung an den Medizin­verbrechen, Norbert Wollheim Memorial, J. W. Goe­the-Universität, Fritz Bauer Institut, Frankfurt 2009, hier S. 52–65 (http://www.wollheim-memorial.de/files/1000/original/pdf_Karl_Heinz_Roth_Die_IG_Farben_Industrie_AG_im_Zweiten_Weltkrieg.pdf).

[84]UArch Münster Bestand 10 Nr. 1454 – Gerhard Domagk (1895-1964), Bl. 100.

[85]LA NRW, Abteilung Rheinland, Bestand NW 1022-D Nr. 8351.

[86]Domagks unbestrittene Leistungen und deren Würdigung bes. im Deutschland der Nach­kriegszeit müssen im geschichtlichen Kontext gesehen werden. Das Narrativ des ‘Gesta­po-Inhaftierten’ und der daraus resultierenden Opferrolle, die er einnehmen konnte und aus der er Autorität bezog, eigne(te)n sich in besonderer Weise zur Idealbildung: Er war Opfer, und dass er sich gut eingerichtet hatte, fiel nicht weiter auf –  für die meisten Deut­schen ‘endete’ die Entnazifizierung mit der Übernahme einer anderen Opferrolle – Opfer des Krieges geworden zu sein – mit dem Nationalsozialismus hatten sie wenig zu tun. Eine ‘Lichtgestalt’ wurde begierig herbeigesehnt und aufgenommen. Eine britische, relati­vierende Stimme: „But in reality, Domagk did not discover, or invent Prontosil. It was an Elberfeld team effort aided and ebetted in a sizeable contribution from Lady Luck“  (Da­vid Greenwood, Antimicrobial Drugs. Chronicle of the Twentieth Century Medical Tri­umph, Oxford 2008, hier S. 71).

[87]In einer Rundfuksendung vom 17.12. 1954 macht sich Domagk die 1947 von ihm selbst zitierte Aussage von Wirz zueigen (BAL 316/2.73).

[88]Geschichte eines Nobelpreises. Gespräch mit Professor Gerhard Domagk, in: Office of the United States High Commissioner for Germany [Hg.], Die Neue Zeitung vom 19.12.1947. Domagk läßt in diesem Gespräch offen, ob die Verhaftung Folge des ‘Zu-höf­lichen-Briefs’ ist. Die Verknüpfung lautet „daraufhin“ – in temporaler (er erwähnt nicht die jeweiligen Daten) oder in konsekutiver Bedeutung?

[89]Nobelpreis war „unerwünscht“. Warum die Gestapo Domagk verhaftete, in: Die Welt, 6.12.1950, S. 3.  –  Der Dienststellenleiter der Gestapoaussenstelle Wuppertal erstreitet sich von 1953–1958  die Anerkennung als „Ausnahme“, so dass seine Dienstzeit bei der Ge­stapo von 1935–1945  vornehmlich durch eine Erklärung Domagks berücksichtigt wird bei der Berechnung seines Ruhegehalts (LA NRW, Ab­teilung Rheinland NW 130 Nr. 265, 13.8.54). Er bescheinigt diesem Kriminalrat, sich bei seiner Verhaftung „menschlich und hilfsbereit“ gezeigt zu haben. Was mit der Bezeich­nung „Ehrenhaft“ (S. 14) gemeint ist, führt Domagk aus: „…bot …  mir sein Privatzim­mer mit Schreibtisch und Chaise­longue an und gab mir die Möglichkeit dort zu arbeiten.“ „Er [Domagk] befindet sich nicht im Polizeigefängnis, sondern in Ehrenhaft in den Räumen der Aussendienststelle Wuppertal“, heisst es in einem Gespräch der Stapo Düsseldorf mit der Außenstelle Wup­pertal am 20.11.1939 (LA NRW,  Abteilung Rheinland RW 58 Nr. 14040, Bl. 18). Dass sich dieser Dienststellenleiter, in der NSDAP seit 1933, in der SS seit 1939, zuletzt Sturmbannführer (Rübner [wie Anm. 53], hier S. 28–30),  trotz des Führerbefehls, Do­magk zu inhaftieren, so verhält, dürfte nicht nur dem Respekt vor einem Nobelpreis­träger gezollt sein, sondern ebenso an dem Missverhältnis zwischen der nicht nachvoll­ziehbaren Begründung für die Verhaftung aus Berlin  und Domagks „Tat“ liegen. Auch mögliche Rivalitäten zwischen Gestapo und SD, zwischen Berlin und Wuppertal – das RSHA be­steht erst seit Okt. 1939 – und der überlieferte Hang zu Eigenmächtigketein könnten eine Rolle gespielt haben. Eine Nachun­tersuchung des SD (Anm. 44), von der auch der Dienststellenleiter spricht, verläuft im Sand. Angesichts dessen, dass die Verhaf­tung Do­magks höchstwahrscheinlich einem af­fektiven Impuls Hitlers entspringt, dürfte wenig In­teresse an weiteren Ermittlungen, die das „Fehlverhalten“ der Dienststelle Wup­pertal auf­gedeckt hätte, bestanden haben. Domagk und der Dienststellenleiter widerspre­chen sich darin, wie schnell das Privatzimmer zur Verfügung gestellt wurde: Sie ver­folgen unter­schiedliche Interessen.

[90]http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-20300776.html